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Betrug: Solaranlagen
wurden nicht gebaut

Vorwurf des Staatsanwalts: 550 000 Euro erschwindelt

Von Uwe Koch
Bielefeld (WB). Drei Kaufleute aus Bielefeld sollen 77 Geschäftspartner aus ganz Norddeutschland mit Verträgen zur Errichtung von Solaranlagen um mehr als eine halbe Million Euro betrogen haben. Die beiden Handelsvertreter und eine Apothekenhelferin stehen seit gestern vor einer Strafkammer des Landgerichts. Staatsanwalt Karl-Peter Jostmeier wirft den Angeklagten vor, das durch Vorkasse erhaltene Geld für eigene Zwecke verbraucht zu haben.

Die mittlerweile in Insolvenz befindliche Firma »Mika Strom«, die in einem Bürogebäude an der Otto-Brenner-Straße residierte, wurde im Oktober 2002 gegründet. Verantwortlich für das Unternehmen waren seinerzeit der 56-jährige Horst E. aus Bissendorf (für den Einkauf), der Bielefelder Dirk O. (39, für den Aufbau des Betriebes) und die 37-jährige Renate M. aus Bielefeld (für innenbetriebliche Organisation und Verwaltung). Pro forma stand die gelernte Apothekenhelferin der Firma auch als Geschäftsführerin vor.
Hauptsächlich in der Region und darüber hinaus in Nordwestdeutschland akquirierten diese leitenden Mitarbeiter Kunden für die Installation von Solarenergiedächern. Das Prinzip klang vielversprechend: Gegen exakt 6960 Euro Vorkasse sollte Mika binnen eines halben Jahres eine Photovoltaik-Anlage errichten. Im Gegenzug verpflichtete sich das Unternehmen, in den kommenden 20 Jahren pro anno jeweils 50 Prozent der erwirtschafteten Energie für 480 Euro abzunehmen.
Das Unternehmen wollte die Anlagen zudem kostenlos warten und nach zwei Jahrzehnten schließlich für den Spottpreis von nur 60 Euro endgültig an die Eigentümer verkaufen. Obendrein gab es noch Sonderkonditionen für die Werbung von Neukunden. Jostmeier: »Die Angeklagten spiegelten ihren Kunden vor, die Anlagen fristgerecht zu errichten.« Passiert jedoch sei nichts. Die drei Bielefelder hätten das Geld auf ihre Konten umgeleitet; insgesamt seien nur drei Solaranlagen gebaut worden.
Diese Fälle des Betruges wurden nach Ansicht des Staatsanwalts ergänzt durch einen Fall der Untreue, den E. allein beging: Er soll sich insgesamt 155 000 Euro von einem Rechtsanwalt haben auszahlen lassen. Dieses Geld sei zuvor von Renate M. auf das Anderkonto des Anwalts eingezahlt worden.
Alle drei Angeklagten konnten sich gestern zunächst nicht zu den Vorwürfen äußern: Heinz E. war mit der Wahrnehmung seiner Verteidigung durch den Bielefelder Rechtsanwalt P. nicht einverstanden. Er wolle durch einen Osnabrücker Anwalt vertreten werden. Dieser Jurist hatte allerdings schon im Vorfeld sein Nichterscheinen signalisiert. Dennoch wurde der Rechtsanwalt vom Kammervorsitzenden Dr. Werner Scheck schließlich als Pflichtverteidiger beigeordnet.
Das Verfahren wurde allerdings zunächst bis zur kommenden Woche vertagt.

Artikel vom 24.11.2004