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Staat schafft gläsernen Bankkunden

Behörden-Zugriff auf Konten

Von Edgar Fels
Berlin/Raesfeld (WB). »Das Bankgeheimnis wird löchrig wie ein Schweizer Käse.« Stefan Marotzke, Sprecher des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes in Berlin, macht aus seinem Unmut gegen das »Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit« keinen Hehl. Vom 1. April 2005 an dürfen Fiskus und Sozialbehörden ohne Begründung die finanziellen Verhältnisse aller Bürger ausspähen.

Um Straftaten wie etwa Geldwäsche und Terrorismus zu bekämpfen, haben die Finanzbehörden schon heute die Möglichkeit, auf die Konten der Bürger zuzugreifen. Im Jahr 2003 sei dafür ein Datenabruf-System eingerichtet worden. Marotzke: »Das hat die Kreditwirtschaft einen dreistelligen Millionenbetrag gekostet.«
Mit dem neuen Gesetz werde nun aber der Kreis der Behörden, die vertrauliche Kontodaten abrufen können, auf Arbeitsagenturen, Sozial- sowie Bafög-Ämter erweitert. Sie können über die Frankfurter Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) abfragen, wer wo wieviel Geld oder Wertpapiere liegen hat.
Die rot-grüne Bundesregierung will mit dem vor einem Jahr verabschiedeten Gesetz Terrorismus und Steuerhinterziehung bekämpfen. Datenschützer und Verfassungsrechtler halten das von Finanzminister Hans Eichel (SPD) initiierte Gesetz jedoch für äußerst problematisch.
Denn für eine Kontoabfrage brauche der Beamte weder einen konkreten Verdacht noch eine Begründung vorzuweisen. Der betroffene Bürger erfährt nicht einmal, ob und von wem sein Konto »durchleuchtet« wurde, ebenso wenig übrigens das Kreditinstitut.
»Jetzt kommt der gläserne Bürger«, kritisiert die heimische FDP-Bundestagsabgeordnete Gudrun Kopp das Gesetz. Parlamentarisch gebe es keine Möglichkeit, es noch vor Inkrafttreten im April 2005 zu kippen, sagte Kopp am Freitag. »Gesetze kann man aber verändern. Hier muss so schnell wie möglich nachgebessert werden.« Dabei hofft die Politikerin auf eine wechselnde Mehrheit in Berlin.
Unterdessen blickt die Kreditwirtschaft mit Spannung nach Raesfeld im westfälischen Borken. Die Volksbank dort hat Verfassungsbeschwerde gegen das »Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit« eingelegt. Vorstandssprecher Hermann Burbaum sieht in dem Gesetz eine »Abschaffung des Bankgeheimnisses« und spricht vom »Schnüffelstaat.« »Mittlerweile hat die BaFin jederzeit die Möglichkeit, Abfragen über die gesamten Kontenbestände vorzunehmen, und praktiziert das auch intensiv.« Er wolle Steuerhinterziehung nicht decken, sagt Burmann. »Aber es gibt eine Privatsphäre, in die der Staat nicht eingreifen darf.« Burbaum glaubt, dass im Januar über die Verfassungsbeschwerde verhandelt wird.
Seite 4: Kommentar

Artikel vom 20.11.2004