18.11.2004 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Stadt will auch ohne
Bescheid Geld auszahlen

Erst 2 500 von 18 000 Hartz-IV-Anträgen bearbeitet


Von Michael Schläger
Bielefeld (WB). 43 Tage vor Inkrafttreten der Hartz-IV-Reform scheint absehbar, dass Stadtverwaltung und Arbeitsagentur in Bielefeld es nicht schaffen werden, alle Anträge auf Arbeitslosengeld II rechtzeitig zu bearbeiten. Grund ist die nicht fehlerfrei funktionierende, bundesweit eingesetzte Computersoftware. Offensichtlich sind in Bielefeld erst 2500 der knapp 18 000 erwarteten Anträge von ihr verarbeitet worden.
Die Stadt hat bereits die Konsequenzen gezogen. Sozialdezernent Tim Kähler kündigte gestern an, dass die Sozialhilfebezieher, die bisher von der Stadt ihre Leistungen erhielten, zum 1. Januar auch dann Geld ausgezahlt bekommen würden, wenn ihre Anträge auf Arbeitslosengeld II noch nicht abschließend bearbeitet seien. »Wegen Softwarenproblemen können wir den sozialen Frieden nicht gefährden.«
Hinter den 10 524 Sozialhilfe-Fällen der Stadt verbergen sich etwa 30 000 betroffene Menschen - die Antragsteller einschließlich ihrer Familienangehörigen. Die Stadt hat den Vorteil, dass deren Angaben bereits im eigenen Rechnersystem gespeichert sind. Da sei es möglich, vorläufige Bescheide zu erstellen, meint Kähler.
Die Arbeitsagentur Bielefeld muss 7 443 Fälle abarbeiten - Menschen, die bisher Arbeitslosenhilfe beziehen, und ihre Angehörigen. Stadt und Agentur hätten sich darauf verständigt, dass die Anträge von Arbeitslosenhilfeempfängern vorrangig bearbeitet würden, sagt Kähler. Ziel sei es weiterhin, alle Anträge bis zum 27. Dezember erfasst zu haben. »Das würde reichen, um die Bescheide pünktlich zu versenden.«
Doch die Zeit wird äußerst knapp. 62 Sachbearbeiter schaffen täglich 300 Fälle. Doch wenn das Computerprogramm nicht fehlerfrei läuft, kann die Quote nicht eingehalten werden. Erschwerend kommt hinzu, dass viele Betroffene erst jetzt ihre Anträge stellen, obwohl bereits seit dem Sommer für die rechtzeitige Antragstellung geworben wurde.
Die Stadt stellt sich unterdessen darauf ein, dass die Übergangslösung auch über einen längeren Zeitraum Bestand haben könnte. »Spätestens nach drei Monaten müsste aber alles erledigt sein«, hofft Kähler.
Der Sozialdezernent schätzt, dass durch das Verschicken vorläufiger Bescheide auf die Stadt zusätzliche Verwaltungskosten in Höhe von 25 000 Euro zukommen. Darüber hinaus entstehen dem Rathaus keine weiteren Unkosten. Möglicherweise zu viel gezahltes Arbeitslosengeld II kann außerdem verrechnet werden, wenn die abschließenden Bescheide vorliegen.

Artikel vom 18.11.2004