20.11.2004 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Marathon auf dem Dach der Welt

3. Platz für den Bielefelder Kai Stuke beim 5-Tage-Rennen im Himalaya

Von Jens Heinze und
Jörn Hannemann (Foto/Montage)
Bielefeld (WB). Es gibt Jogger, die drehen am liebsten am Obersee ihre Runden. Und dann gibt es Bielefelder, die ihren Ausdauersport gerne in der Ferne betreiben. Wie Kai Stuke: Der Ultra-Marathon-Läufer hat in diesem Jahr am 14. Himalaya-100-Meilen-Etappen-Rennen teilgenommen. 162 Kilometer legte der 37-Jährige in Indien auf dem »Dach der Welt« zurück und lief als Dritter ins Ziel.

Der Bericht in einer Fachzeitschrift hatte bei Stuke, der nach einem Jahrzehnt als Triathlet vor vier Jahren zum Ultra-Marathon umschwenkte, das Interesse geweckt. Zur Herbstzeit versammeln sich im Dreiländereck Indien/Nepal/Tibet zwischen 40 bis 50 Langstreckenläufer überwiegend aus Europa, um nach Zahlung von je 1566 US-Dollar Startgebühr in 2000 bis zu 3650 Metern Höhe die Laufschuhe zu schnüren. Fünf Tage dauert das (Etappen-)Rennen über eine Distanz von 100 englischen Meilen oder 162 Kilometern, das laut Eigenwerbung »den spektakulärsten Streckenverlauf der Welt« bietet. Dieses ist, wie Kai Stuke nach seiner Teilnahme am 14. »Himalayan 100 Mile Stage Race« weiß, nicht übertrieben: »Am zweiten Tag nach dem Start im indischen Sandakphu kann man den Mount Everest, Lhotse, Makalu und Kanchenjunga sehen. Das sind vier der höchsten Berge der Welt.«
Ganz einfach ist die Anreise zum Langstreckenlauf im Himalaya, der dieses Jahr vom 31. Oktober bis zum 4. November stattfand, nicht. Der Weg führte den 37-jährigen Ingenieur aus Hillegossen von Düsseldorf über London und Delhi bis zum Bagdogra-Flughafen im bekannten Teeanbaugebiet Darjeeling. Knapp 4000 Euro, vergleichbar mit einer Luxus-Kreuzfahrt, kostete Kai Stuke das »Vergnügen«, im Himalaya laufen zu dürfen.
Der Start war am 31. Oktober in Maneybhanjang auf 2000 Metern Höhe. Gleich am ersten Tag hatten der 37-Jährige und seine 47 Mitläufer eine Steigung von 2530 Metern bis nach Sandakphu zu bewältigen: »Die Luft ist halb so dünn wie in Deutschland. Schon beim kleinsten Anstieg kommt die Lunge ganz schön ins Pumpen.« Herausforderungen, die einige offenbar völlig unterschätzt hatten - zwei Teilnehmer gaben gleich zu Beginn auf.
Dass der Teutoburger Wald, wo sich der achtfache Hermannsläufer Kai Stuke zwei Monate lang intensiv auf den Härtetest auf dem »Dach der Welt« vorbereitet hatte, mit dem Himalaya nichts gemein hat, erfuhr der 37-Jährige schnell. 25 Grad feucht-warme Schwüle im indischen Dschungel standen Temperaturen um den Gefrierpunkt im Schatten der Achttausender gegenüber. Statt gepflegter Waldwege wie in der ostwestfälischen Heimat erwarteten den Ausdauersportler bei den 21 bis 42 Kilometer langen (Marathon-)Etappen grobe Steinpisten und ausgewaschene Bergpfade. Die nächtlichen Ruhepausen wurden in einfachen, ungeheizten Steinhütten verbracht, wo Kai Stuke mit Fleecekleidung und einem wärmenden Schlafsack den Minusgraden im Himalayagebirge trotzte.
Nach fünf kraftzehrenden Tagen und einer Gesamt-Laufzeit von 15 Stunden und 49 Minuten für die zurückgelegten 162 Kilometer auf dem »Dach der Welt« war der Ingenieur aus Hillegossen schließlich als Drittplatzierter im Ziel. Eine bestandene Herausforderung, die sich für den 37-Jährigen voll und ganz gelohnt hat: »Es war phantastisch.«
2005 will es Kai Stuke in puncto Sport etwas »ruhiger« angehen lassen. Mitte Mai kommenden Jahres stehen der 75 Kilometer lange Ultra-Marathon auf dem thüringischen Rennsteig und Ende Juli der »Swiss Alpin« (78,5 Kilometer in den Schweizer Alpen) auf dem Laufplan. Das nächste große Ziel im außereuropäischen Ausland heißt La Reunion. Auf der Nachbarinsel von Mauritius im Indischen Ozean will der 37-Jährige seine Kondition beim 135-Kilometer-Langstreckenlauf unter Beweis stellen. »Doch bis dahin dauert es noch etwas«, meint der Hillegosser, »nach dem Himalaya-Abenteuer muss ich erst einmal die Reisekasse wieder auffüllen.«

Artikel vom 20.11.2004