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Solistisch gesehen eine »italienische« Offenbarung

Oratorienchor führte Verdis Requiem in der Oetkerhalle auf

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Chormusik, soweit sie nicht der Oper dient, spielte in Verdis Schaffen nur eine Nebenrolle, wenn auch eine qualitativ gewichtige. Wie in den Opern, so steht auch in seiner »Messa da Requiem« die menschliche Stimme im Vordergrund. Wie gut, dass der Oratorienchor bei seiner jüngsten Werkwiedergabe Sorge um ein ausgezeichnetes Solisten-Quartett getragen hatte.

So wenig Giuseppe Verdis Werk sich in das kirchliche Totenritual fügt, so ist es doch der Ausdruck eines bei aller Distanz zur Kirche religiösen Menschen, der auch bei seiner Requiem-Vertonung auf die Mittel des genialen Bühnendramatikers zurückgriff. Kein Wunder also, wenn im »Libera me, Domine, de morte aeterna« ein wenig »Traviata«-Abschiedsschmerz durchleuchtet, mit erregt beklommenem Sprechgesang und dramatisch aberwitziger Ekstase. Eigenschaften, die Ruxandra Voda phänomenal rein und mit beispielhaften Wechseln von klanglicher Tiefe und dramatisch hohem Ansatz auf sich zu vereinen wusste.
Brillant auch Susan Maclean, die modulierende Stimmkraft und Farbpracht ganz dem Sich-Versenken widmet, etwa im »Liber scriptus proferetur«, aber auch im klangharmonischen Duett mit Sopran oder Lux-aeterna-Terzett, das zu einer Sternstunde des weich fließenden A-cappella-Gesangs im Pianissimo geriet.
Mit Harrie van der Plas hatte man ein echtes Belcanto-Wunder für die Tenor-Partie engagiert, der im »Ingemisco« herrlich feinfühlig, inbrünstig und mit makellosem Stil und weiter Phrasierung zu verzaubern wusste. Petri Lindroos fügte sich da kongenial ins »italienische« Solisten-Quartett ein, im dunkel-mystischem Büßerton (Mors stupedbit) oder auch flehendlich-schuldbewusst im »Confutatis«. Soweit waren die solistisch geprägten opernhaften Elemente im Strom emotionaler und geistiger Verkündigung bestens besetzt und eingebettet.
Indes, bei der vielgestaltigen Dynamisierung der Werkgestalt blieb der Chor das ein oder andere Mal hinter seinen Möglichkeiten zurück. Das Pianissimo der psalmodierenden Choreinwürfe im Introitus wollten so recht nicht »zünden«, auch hat man diesen Chor bei Einsätzen schon entschlossener und reaktionsschneller erlebt. Beim frescohaften Aufriss des »Dies irae« lässt das Aufgebot der chorischen Klangkunst zwar dann keine Wünsche offen, doch die Stimmbalance zwischen Chor und zu peitschender Klangschärfe angehaltendem Philharmonischem Orchester wollte sich nicht einstellen.
In Teilen wirkte dieses Verdi-Requiem auch schablonenhaft. Möglicherweise aber forderten die veränderten Bühnenverhältnisse mit weit hinten stehendem Chor hier ihren Tribut. Sich darauf einzustellen, darin liegt für den leitenden Hartmut Sturm bei künftigen Aufführungen eine Herausforderung mehr.

Artikel vom 13.11.2004