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Neue Hoffnung auf Frieden

Heute Trauerfeier in Kairo für Palästinenser-Präsident Jassir Arafat

Paris (Reuters). Nach dem Tod des Palästinenser-Präsidenten Jassir Arafat sind gestern weltweit Hoffnungen auf eine Wiederbelebung des seit Jahren festgefahrenen Nahost-Friedensprozesses geweckt worden. Bei den USA und Israel galt Arafat zuletzt als Hindernis für den Frieden. Er wurde als Gesprächspartner abgelehnt.

Der 75-Jährige war gestern morgen in einem Militärkrankenhaus bei Paris gestorben, wo er seit einer Woche im Koma lag.
Israels Ministerpräsident Ariel Scharon sprach von Chancen für einen Wendepunkt des Konflikts. Radikale Palästinenser-Organisationen gaben Israel jedoch die Schuld am Tod des einstigen Untergrundkämpfers. Sie wollen ihre Anschläge fortsetzen.
Einige Beobachter befürchten einen Machtkampf in der Palästinenser-Führung, der die Region ins Chaos und eine noch tiefere Krise stürzen könnte. Im Bestreben, ein Machtvakuum zu vermeiden, besetzten die Palästinenser die Spitzenpositionen umgehend neu. Dabei rückten sowohl Radikale wie auch Vertreter eines gemäßigten Kurses auf.
Die Trauerfeier, an der Bundesaußenminister Joschka Fischer und Dutzende Kollegen aus aller Welt teilnehmen wollen, soll heute in der Nähe des Flughafens der ägyptischen Hauptstadt Kairo stattfinden. Der Leichnam Arafats wurde noch gestern nach Kairo gebracht. Am Samstag soll Arafat dann auf dem Gelände seines zerstörten Amtssitzes in Ramallah bestattet werden.
Während der Tod Arafats in den Palästinenser-Gebieten tiefe Trauer auslöste, zeigten sich viele Israelis wenig berührt von dem Ableben des Mannes, den sie als das »Gesicht des Terrors« bezeichneten und für zahlreiche Anschläge verantwortlich machten. »Ich habe ihn gehasst«, sagte Israels Justizminister Josef Lapid. Arafat habe den Terrorismus zu einem politischen Instrument gemacht. Auch Oppositionsführer Schimon Peres, der zusammen mit Arafat für frühere Nahost-Initiativen den Friedensnobelpreis erhalten hatte, erklärte: »Arafats größter Fehler war, sich dem Terrorismus zuzuwenden.«
In den Dörfern und Flüchtlingslagern in den Palästinenser-Gebieten liefen Tausende Menschen in Trauer auf die Straßen, schossen mit Gewehren in die Luft und zündeten Autoreifen an. Die Palästinenser-Führung erklärte eine 40-tägige Trauerzeit für das Westjordanland und den Gaza-Streifen. Israel riegelte aus Sicherheitsgründen die Gebiete umgehend ab.
Staats- und Regierungschefs aus aller Welt sprachen dem palästinensischen Volk ihr Beileid aus und äußerten zugleich die Hoffnung, dass mit dem Tod Arafats der Friedensprozess im Nahen Osten wieder in Gang kommen könnte. »Wir hoffen, dass die Zukunft Frieden bringt und die Erfüllung der Hoffnungen auf ein unabhängiges und demokratisches Palästina, das im Frieden mit den Nachbarn lebt«, erklärte US-Präsident George W. Bush. Der palästinensische Außenminister Nabil Schaath betonte, die Palästinenser seien bereit, mit Israel die Gespräche über den internationalen Friedensplan, die so genannte Road Map, wieder aufzunehmen.
S. 4: Hintergrund/Leitartikel

Artikel vom 12.11.2004