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Einfühlsamer Hexenmeister

Pianist Joseph Moog brillierte beim »Jungen Konzertpodium«

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Zur vornehmen Aufgabe haben die Theater- und Konzertfeunde es sich gemacht, dem talentierten musikalischen Nachwuchs in der Reihe »Das junge Konzertpodium« ein Auftrittsforum zu verschaffen. Das Publikum darf sich somit regelmäßig an der Kunst der hoffnungsvollen jungen Musiker delektieren. Jüngst sogar an einem ausgewiesenen »Wunderknaben«, der die pianistische Kinderstube indes schon weit hinter sich gelassen hat.

Joseph Moog (16) ist zweifelsohne eine musikalische Ausnahmeerscheinung. Sein künstlerischer Lebenslauf (erster Klavierunterricht mit vier Jahren), bereits reich gepflastert an namhaften Mentoren, Meisterkursen, Wettbewerben und Konzerttätigkeiten, weckt Erwartungen, die der junge Mann im Konzert noch einmal weit übertrifft.
In seiner fein ziselierten, nuancenreichen Anschlagskultur liegt eine unvorstellbare Brillanz, ja Farbigkeit, und wenn es um manuelle Schnelligkeit -Êbei gleichzeitiger Trennschärfe -Êgeht, dann ist der Glemser-Schüler ein echter Hexenmeister am Klavier. Das allein lässt bass erstaunen, um so mehr, als Moog sein meisterliches Handwerkszeug in den Dienst eines musikalischen Ausdrucksgrades stellt, der gleichermaßen von Empfindungsreichtum sowie formalanalytischer Durchlichtung zeugt -Êund somit einen erstaunlich hohen Reifegrad offenbart.
Es liegt dennoch kein Widerspruch darin, wenn er Beethovens »Waldstein«-Sonate jugendlich unbeschwert angeht und dem »Allegro con brio« einen Touch von verspielter Leichigkeit abgewinnt - dies bei ausgezeichneter akzentuierter Konturierung der Stimmen. Der versonnen zärtliche, fast intime Mittelsatz wird von Moog agogisch weit aufgefächert und zeugt von großem Einfühlungsvermögen. Ein gewisses heroisches Moment im »Rondo« wird keinesfalls vernachlässigt, aber nie pastos ausgespielt. Dazu federt Moog virtuose Akkordläufe mit betörender Vorschlagstechnik ab.
Unter den Virtuosen-Streichen gehört Ravels »Gaspard de la Nuit« zu den schwierigsten Werken der Klavierliteratur. Nur wenige Tage zuvor hatte Anna Vinnitskaya (20) -Ê Kenner sagen der hoffnungsvollen Nachwuchspianistin eine blendende Karriere voraus -Ê das Stück im städtischen Kammerkonzert versonnen, versponnen interpretiert. Vergleichsweise vitaler, allerdings auch linienstrenger geht Joseph Moog den poetischen Stoff an. Wo die Vinnitskaya mittels Pedal vernebelten Nixen-Träumen nachhängt, schickt Moog seine »Ondine« neugierig durch prickelnd perlende Gewässerströme. Beides hat seinen Reiz, wenn auch die virtuose Kunst des Werks in letztgenannter Deutung stärker hörbar wird.
Über den mit pianistischen Gaben verschwenderisch gesegneten Joseph Moog ließe sich noch vieles sagen. Etwa, dass er in Liszts »Vallèe d'Obermann« die große formale Anlage von vornherein mit Weitsicht angeht, dass er überhaupt phrasierungstechnisch sehr versiert vorgeht, ohne dabei an emotionaler Tiefe einzubüßen, oder dass er auffallend sparsam Pedalhall verwendet.
Damit nicht genug: Auch als Komponist hinterließ der 16-jährige Virtuose einen veritablen Eindruck. Seine Sonate op. 5 ist ein programmatischer Zweisätzer zwischen Traum und Wirklichkeit. Und obwohl man nicht umhin kam, hier einen Schuss französischen Impressionismus und dort eine Prokofjew-Adaption durchzuhören, wirkte das Werk doch beeindruckend ausgereift und in sich schlüssig.
Parallelen zum berühmten Salzburger Wunderknaben von vor 200 Jahren scheinen durchaus vorhanden zu sein: Mozart und Moog verbindet wohl weit mehr als nur die beiden Anfangsbuchstaben des Nachnamens.

Artikel vom 11.11.2004