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Arbeitsamt zahlt Strafgeld

Milliarden-Buße für fehlende Jobs - Hundt: »Griff nach Beiträgen«

Von Reinhard Brockmann
Bielefeld (WB). Knapp sieben Milliarden Euro Strafgelder soll die Bundesagentur für Arbeit (BA) im kommenden Jahr zahlen. Weil aber echte Jobs fehlen, hat sie keine Chance, dem durch bessere Vermittlungsergebnisse zu entgehen.

Arbeitnehmer und Betriebe müssten allein durch ihre Beiträge für die »zynische Strafsteuer« aufkommen, schlägt Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt Alarm: »Ein dreister Griff in die Taschen der Beitragszahler.« Damit solle vermeintlich Druck auf die BA ausgeübt werden, sich mehr um Vermittlung zu bemühen. »Tatsächlich aber sucht der Bund nach einer neuen Refinanzierungsquelle«, behauptet Hundt.
Monika Ramm-Schüller von der Arbeitsagentur Bielefeld bestätigt grundsätzlich den mit Hartz IV eingeführten »Aussteuerungsbetrag« von voraussichtlich etwa 9000 Euro für jede Person, die vom beitragsfinanzierten Arbeitslosengeld I in das steuerfinanzierte Arbeitslosengeld II wechselt. Wegen der totalen Systemumstellung fehlen echte Vergleichszahlen. Für Bielefeld ist nur soviel klar: Während hier der Etat für Förderungsmaßnahmen von 60 auf 26 Millionen Euro zusammengestrichen wurde, muss die Vermittlungsquote steigen, damit Strafgelder ausbleiben. Ramm-Schüller: »Wir können nur alles daransetzen, die Zahl der Übertritte zum Arbeitslosengeld II möglichst niedrig zu halten.« Dem stünde entgegen, dass es definitiv zu wenig Stellen am Bielefelder Arbeitsmarkt gäbe.
Laut Arbeitgeberverband (BDA) müssen 2005 insgesamt 6,7 Milliarden Euro an den Bund abgeführt werden. Das kann, muss aber nach Einschätzung der Bielefelder Agentur nicht unbedingt zu Beitragserhöhungen führen.
BDA-Präsident Hundt geht weiter: »Der Aussteuerungsbetrag ist eine weitere Fremdbelastung und verhindert damit eine Senkung der hohen Beiträge um fast einen Prozentpunkt.« Nur durch sinkende Abgaben entstünden aber wieder mehr wettbewerbsfähige Arbeitsplätze. Die Stärkung der Vermittlung werde durch deren Überfrachtung mit der neuen Mammut-Aufgabe Arbeitslosengeld II wieder ausgehebelt. Wenn der Bund wirklich etwas erreichen wolle, müsse diese auch von der Union mitbeschlossene »absurde Konstruktion« geändert werden.
Beim Verband der Beschäftigten der BA heißt es: »Wir können nicht haftbar gemacht werden für die Konjunktur und zugleich pünktlich ALG II zahlen sowie ohne Jobs schnell vermitteln.«
Trotz der Bußgeld-Einnahme muss sich nach einer Prognose des bayerischen Arbeitsstaatssekretärs Jürgen W. Heike (CSU) die Bundesregierung auf einen wesentlich höheren Zuschuss zum Haushalt 2005 der BA einstellen. Im Haushalt der Bundesagentur werde aller Voraussicht nach ein 4,5 Milliarden-Loch klaffen, sagte das Mitglied des BA-Verwaltungsrats. Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) hat dafür bislang lediglich 3,5 Milliarden Euro eingeplant. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 10.11.2004