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Feinsinnig in Klang gezeichnetes Gemälde

Claudio Monteverdis »Marienvesper« in St. Jodokus

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Sein Werk an der Schnittstelle von Tradition und Fortschritt ist Vollendung und Anfang zugleich. Aus der Spannung dieser Gleichzeitigkeit speist sich die Quelle der immer wieder aufs Neue faszinierenden Musik Claudio Monteverdis. Dies im Besonderen, wenn so ausgewiesene Spezialisten am Werke sind, wie sie Jodokus-Kantor Georg Gusia am Sonntag um sich versammelt hatte.

Die Marienvesper (Vespro della Beata Vergine) als einer der Höhepunkte einer Monteverdi gewidmeten Konzertreihe an der St. Jodokus-Kirche markierte zugleich den krönenden Abschluss der diesjährigen Bielefelder Konzerttage. Spektrum und Niveau dieser konzentrierten kirchenmusikalischen Leistungsschau der Innenstadtkirchen sind durchweg von erstklassigem Format und Rang. Warum also überrascht sein, wenn sich Jodokus-Kammerchor und Gäste einmal mehr hervorragend ins Bild fügten?
Nun, die subtile Balance von religiöser Versenkung und theatralischer Dramatik sowie die feinsinnige musikalische Umsetzung des Textes gelangen dann aber doch in einer Durchdringung und Eindringlichkeit, die gleichermaßen Respekt und Entzücken produzierte -ÊÊund einmal mehr unterstrich, dass geistliche Musik an St. Jodokus eine ernst zu nehmende, eigenständige Größe besitzt und keineswegs bloß schmückendes Beiwerk ist.
Der von Gusia einstudierte Kammerchor zeigte im Wechsel von konzertierenden, dramatischen Passagen und Cantus-firmus-Vokalpolyphonie immense virtuose Fähigkeiten. Garant für ein bemerkenswert reiches Ausdrucksspektrum mit brillanten Echoeffekten und lautmalerischer Klanggestaltung auf der einen und litarneiartiger Versenkung auf der anderen Seite. In kunstvoll virtuoser Manier und Klangfrische gelang eine spannungsvolle Verflechtung mit kongenial eingestimmten Gesangssolisten und Instrumentalisten.
Tanya Aspelmeier, Hedwig Voss (Sopran), Wilfried Jochens, Knut Schoch (Tenor) und Raimonds Spogis (Bass) stellten ihren Gesang ganz in den Dienst von Gemütsbewegung und Affetto-Wirkung und ein Orchester aus ausgesuchten Spezialisten historischer Aufführungspraxis rundete den Eindruck eines feinsinnig in Klang gezeichneten Mariengemäldes ab. Gusia wiederum lenkte mit dramatischer Stringenz und liturgischem Atem, aber auch in Kenntnis der akustischen Tücken des halligen Kirchenschiffs, auf dass sich die Fülle und der Reichtum dieser »Engelsmusik« vollendet entfalten konnten. -ÊUnsagbar schön!

Artikel vom 10.11.2004