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Fest im Sattel formschöner Avantgarde-Entwüfe

Galerie Stefan Reinke zeigt Möbel aus Schichtholz


Bielefeld (uj). James Ensor im Kontext mit zeitgenössischen Sitzmöbeln im MARTa, Herford, Alvar und Ainio Aalto in der Kunsthalle Bielefeld (ab 28. November) und mitten drin Designermöbel aus Schichtholz im Showroom der Galerie Reinke. Ostwestfalen war schon immer eine Hochburg des -Êauch innovativen - Möbelbaus. Nun scheint die Zeit für eine museale Retrospektive gekommen zu sein.
Der Galerist Dr. Stefan Reinke vollzieht dies in seiner nunmehr dritten Ausstellung am Oberntorwall 3 - ganz in räumlicher Nähe zur Kunsthalle - mit 40 Original-Objekten aus Schichtholz, das in den 40er Jahren zum Lieblingsmaterial der Avantgarde im Möbelbau avancierte. Die dünnen, kreuzverleimten Furnierblätter entsprachen aufgrund von Biegsamkeit und Elastizität für kurze Zeit den spezifischen Anforderungen eines organisch geformten Möbels. Bis in den 50er Jahren erste Kunststoffe wie Fiberglas ganz ähnliche Materialeigenschaften aufwiesen -Êbei verbesserter Formbarkeit. In den 60er Jahren war schließlich die beliebige Form mittels Spritzguss-Verfahren kostengünstig herstellbar. Ein Umstand, der Möbel aus Schichtholz wieder verdrängte.
Die Ausstellung zeigt Objekte aus der Zeit von 1928 bis 1970. Neben Sitzmöbeln, in der überwiegenden Zahl, Êauch Tische, Schränke, Kindermöbel und Kleinobjekte. Darunter Klassiker wie etwa der Dreibeinstuhl von Egon Eiermann, der heute wieder nachgebaut wird.
Pioniere wie Alvar Aalto und Bruno Mathsson, die 1930 organisch anmutende Möbel mittels wellenförmig geformtem Schichtholz schufen, sind ebenso vertreten wie Charles und Ray Eames, die 1945 die ersten Schichtholz-Stühle mit sattelförmig geformter Sitzfläche entwarfen.
In der Folgezeit kreierten Designer wie Max Bill, Egon Eiermann und Arne Jacobsen erfolgreich Stühle, die bis heute millionenfach verkauft wurden. Auch Stühle mit geschlossener Schalenform wurden entwickelt, etwa von Ray Komai und Eddi Harlis -Êwobei sich letztlich die Kunststoffe durchsetzten, was in der Ausstellung ebenfalls in Einzelobjekten präsentiert wird.
Die Schichtholzstühle der 60er Jahre schließlich, entworfen von Verner Panton oder Joe Colombo, zeichneten sich durch spektakuläre Umrissformen und die Betonung der dekorativen Kanten aus -Êetwa der berühmte S-Stuhl von Panton.
Die Ausstellung überzeugt durch die große Bandbreite der zusammen getragenen Sitz-Objekte und wird abgerundet durch Accessoires sowie ein Einrichtungsbeispiel eines Jugendzimmers um 1935: mit Sessel von Richard Riemerschmid, Beistelltisch von Aalto, »Volksschrank« von Max Ernst und Kramer-Fauteuil.
Zu sehen bis zum 17. Dezember, donnerstags und freitags von 15 bis 19 Uhr sowie nach telefonischer Absprache unter 0172/23 10 415.

Artikel vom 10.11.2004