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Welche ist echt? Zwei Polizisten mit einer Maschinenpistole »MP 5« und deren Nachbildung.

Gewehre in Schulen erlaubt

Polizei warnt: Spielzeug bringt Jugendliche in Lebensgefahr

Von Christian Althoff
Hilden (WB). Schüler können detailgetreu nachgebildete Maschinenpistolen mit in den Unterricht nehmen - ohne sich strafbar zu machen. »Nach einer EU-Richtlinie gelten diese Gegenstände jetzt als Spielzeug«, sagt Wolfgang Dicke, Bundesgeschäftsführer der Gewerkschaft der Polizei (GdP) aus Hilden. Er hat Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) aufgefordert, »diesen Wahnsinn zu stoppen«.

Eine orginalgetreue Imitation der Kalaschnikov »AK-47« kostet 99 Euro, für den gleichen Preis ist auch die Nachbildung des Bundeswehr-Sturmgewehres »G 36« zu haben - für Jedermann. »Vor allem bei Jugendlichen liegen diese Nachbildungen voll im Trend«, beklagt Waffenexperte Dicke. Die Gewehre verschießen Sechs-Millimeter-Plastikkugeln mit einer Mündungsenergie, die unter der von Luftgewehren liegt. Dicke: »Die Gefahr geht nicht von der Munition aus, sondern von der optischen Wirkung des so genannten Spielzeugs.«
Selbst Polizisten könnten die Imitationen nicht von den Originalen unterscheiden - und stünden deshalb im Ernstfall vor der Frage, ob sie den Träger eines solchen Gewehres niederschießen müssen oder nicht. »Mir graut vor dem Tag, an dem ein Schüler in seiner Klasse aus blankem Imponiergehabe mit so einem Ding herumfuchtelt und Drohungen ausstößt«, sagte der GdP-Geschäftsführer. »Wir müssen deshalb jedem Jugendlichen sagen: Du begibst dich in die Gefahr, schlimmstenfalls erschossen zu werden, wenn du mit so einem Gewehr umher läufst.«
Erst am 3. November hatten Polizisten in Gelsenkirchen einen Mann gestellt, der in der Dunkelheit mit einer Pump-Gun unterwegs war. Als er aufgefordert wurde, die Waffe niederzulegen, lud er sie durch und zielte auf einen Beamten. »Zum Glück behielten meine Kollegen die Nerven, denn später stellte sich heraus, dass die Pump-Gun nur eine Nachbildung war«, sagt Polizeisprecher Konrad Korts aus Gelsenkirchen.
Der Besitz nachgebildeter Kriegswaffen war in Deutschland wegen deren Drohpotentials lange verboten. Das zum 1. April 2003 geänderte Gesetz erlaubte dann Personen über 18 Jahren den Besitz, aber nicht das Mitführen von Nachbildungen mit einer Mündungsenergie von höchstens 0,08 Joule. Solche Waffen wurden allerdings kaum angeboten.
Im Juni dieses Jahres hob das Bundesinnenministerium die 0,08-Joule-Grenze allerdings auf, weil damit auf EU-Ebene ein Handelshemmnis aufgebaut worden sei, wie es hieß. Deshalb gelten seitdem die tausendfach angebotenen Kriegswaffennachbildungen mit 0,5 Joule Mündungsenergie als Spielzeug, das selbst Kinder kaufen und mit sich herumtragen dürfen.
GdP-Bundesgeschäftsführer Wolfgang Dicke hat inzwischen an Otto Schily geschrieben. »Die Niederlande haben ein Verbot von Waffenimitationen verhängt. Genau das erwartet die GdP jetzt auch von unserem Innenminister.« Kommentar Seite 4

Artikel vom 09.11.2004