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Tauchkurse mit der Barmer

Patienten-Verband kritisiert »Werbe-Gag« für riskante Sportart

Von Dietmar Kemper
Bielefeld (WB). Im Wettbewerb um Mitglieder gehen die Krankenkassen neue Wege. Die Barmer in Bielefeld bietet ihren Versicherten kostenlos »Tauchen für Anfänger« an. Um Probleme mit dem Bundesversicherungsamt als Genehmigungsbehörde zu umgehen, zahlt die Kasse der Tauchschule kein Geld.

Die Schule kann allerdings im Gegenzug Barmer-Mitglieder als Kunden anwerben. »Das Schnupperangebot der Kasse ist keine Gesundheitsförderung, sondern eine reine Marketing-Maßnahme«, sagte der Gesundheitswissenschaftler der Universität Bielefeld, Bernhard Badura, dieser Zeitung. Der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Public Health (öffentliche Gesundheit) erläuterte: »AOK und Barmer laufen die Mitglieder davon. Deshalb versuchen die Kassen alles, den Trend umzukehren.«
Nachdem die AOK Berlin sogar Bauchtanz-Kurse auf Krankenschein bezahlt habe, prüfe das Bundesversicherungsamt fragwürdige Angebote strenger. Solange aber eine Kasse für Kurse wie das Tauchen nichts bezahle, sei ihr juristisch nichts vorzuwerfen, erklärte Badura.
Das Premieren-Angebot der Barmer umfasst drei Tauch-Übungseinheiten am 11., 18. und 25. November und sei »nach zwei Tagen ausgebucht« gewesen, sagte Regionalgeschäftsstellenleiter Jürgen Uppenbrock dieser Zeitung. Die Warteliste für weitere Kurse dieser Art umfasse bereits mehr als 100 Namen. Mit dem »Tauchen für Anfänger« leiste die Barmer einen Beitrag zur Kampagne »Deutschland bewegt sich«, betonte Uppenbrock. Aktivität im Wasser fördere die Gesundheit. Für die Schnupperkurse mit theoretischer Einweisung, Anprobe und Abtauchen im Hallenbad unter fachkundiger Leitung werde »kein Geld der Versicherten« ausgegeben, sagte er. Ein Fitnesstest werde vorher nicht gemacht.
Der Präsident des Allgemeinen Patienten-Verbandes in Marburg, Christian Zimmermann, sprach von einem »unsinnigen Angebot« und einem »Werbe-Gag der Kasse, um junge, gesunde Mitglieder an sich zu binden oder von anderen Kassen abzuwerben«. Statt therapeutisch nutzlose Kurse wie Tauchen und Gleitschirmfliegen anzubieten, sollten die Kassen einen »Wettbewerb um die günstigsten Verwaltungsstrukturen« austragen, sagte Zimmermann. Obwohl die Zahl der Krankenkassen in zehn Jahren von 1000 auf unter 300 gesunken sei, hätten sich die Verwaltungsausgaben auf 8 Milliarden Euro verdoppelt.
Die Gesellschaft für Tauch- und Überdruckmedizin in Frankfurt warnt vor Risiken: »Sollten gesundheitliche Gründe ein sicheres Tauchen gefährden, kann ein Unfall im schlimmsten Fall bereits beim ersten Tauchgang mit einem Atemgerät eintreten.« Das gelte selbst für Übungen im Hallenbad mit geringer Wassertiefe. Deshalb sollten Menschen nicht ohne ärztliche Unbedenklichkeitsbescheinigung tauchen gehen, mahnt die Gesellschaft. Seite 2: Kommentar

Artikel vom 08.11.2004