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Vom Cowboy, der zu
langsam zog

Kunsthandwerk: Niveauvolle Schau

Von Matthias Meyer zur Heyde
Bielefeld (WB). Teddys und Puppen sucht der Gast hier vergebens: Bei den Kunsthandwerkern, die zur Herbstschau am Wochenende in Bethel Proben ihres Könnens zeigten, geht Kunst vor Handwerk.

Einer ist immer schneller: Im Körper des Cowboys gähnt ein Loch, obwohl er die Waffe noch gar nicht gezogen hat. Immer steckt ein kleiner Dreh, ein unaufdringlicher Witz in den Figuren des Kunstschmieds Michael Raum (Oerlinghausen). Der 47-Jährige fertigt eigenständige Plastiken aus Baustahl (»Schmiedeeisen«) wie den perfekt schwingenden Golfer oder den für den Garten geeigneten Stab, der in Drachen- oder Vogelkopf ausläuft - vielleicht auch in der Hand, die zu Ehren des Gastes höflich den Zylinder lupft.
»Wer hier ausstellt - und wir legen Wert auf Niveau -, ist ein Könner auf seinem Gebiet, ein Profi in seinem Beruf«, versichert die Bielefelder Buchbinderin Ulrike Bonin, die, gemeinsam mit sechs weiteren heimischen Künstler-Handwerkern, die zweimal jährlich stattfindende Ausstellung organisiert. Besucher werden gezielt eingeladen; die Schau in der Bernhard-Mosberg-Werkstatt am Quellenhofweg 35 gilt Kennern inzwischen als echter Geheimtipp.
Wo etwa hätte man je kleine Scheiben aus holzähnlichem Material gesehen, die eine radiale (strahlenförmige) Struktur erkennen lassen? Antwort: Überall im Wald - man hätte bloß einen unreifen Tannenzapfen aufschneiden müssen. Sandra Arnts (Hille bei Minden) hat's getan und präsentierte Ohrringe, Gewandschließen, dezente Ketten und »sinnlose Objekte« (Arnts) aus poliertem Holz, die die Phantasie noch des größten Prosaikers beflügeln.
Kaum zu glauben, wie filigran Silberschmuck sein kann: Heidemarie Schulte zeigte feinziselierte Ringe und Gehänge, die eine schöne Frau noch aparter machen. Die Handweberin Rosemarie Wendy-Riso führte »Kappenkapriolen« vor - Kopfbedeckungen (und anderes), die jede Boutiquenbesitzerin von Rang gerne im Sortiment führen würde.
Die bemalte Seide der Conny Krüger-Schütte verführt zum Träumen von duftenden Gärten und sphärischen Klängen aus Fernost; Vlasta Daweke beherrscht noch das uralte Handwerk des Klöppelns; feinste Strukturen, wohl auch mal ein anmutiger Schwan entstehen unter ihren kundigen Fingern. Marlou Ludwig ist eine Expertin für schönes Handgewebtes, Ulrike Bonin sucht für ihre Einbände seltenes Papier, etwa Jugendstilerzeugnisse der »Wiener Werkstätte« - nur einige Beispiele für die mannigfaltigen Kunst-Handwerks-Formen, die in Bielefeld blühen.
Daneben: Raku-Keramik, Schatzkästlein und Knöpfe aus Holz. Dazwischen: Sisyphus, der seinen vermaledeiten Stein umherrollt - natürlich wieder eine Figur von Michael Raum. Auf die Frühjahrsschau darf man sich schon jetzt im Herbst freuen.

Artikel vom 08.11.2004