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Super Idee: Haste mal
'nen Euro für die Kunst?

Zweite ART OWL stimmt Galeristen und Publikum froh


Bielefeld (WB/mzh). Witzig oder weltfremd? Oder am Ende eine geniale Verkaufsidee? »Haste mal 'nen Euro?«, fragt der Detmolder Galerist Martin Gausepohl, der am Wochenende bei der ART OWL in der Ravensberger Spinnerei ausstellte.
Wenn ja, nehmen Sie ein Bild oder eine Skulptur für, sagen wir, 1500 Euro mit nach Hause, dazu ein Sparschwein. Ohne zu bezahlen! Jeden Tag beschäftigen Sie sich ein wenig mit dem Kunstwerk und werfen in Würdigung dieses kulturellen Genusses täglich einen Euro ins Schwein. Im Vierteljahresrhythmus bekommt der Künstler seine Abschlagszahlung, und nach 1500 Dialogen mit der Kunst gehören Büste, Aquarell oder Radierung Ihnen.
Kreativität sollte in unseren kulturfeindlichen Zeiten nicht aufs Atelier beschränkt bleiben, und die ART OWL (die zweite mittlerweile) hilft Kontakte zu knüpfen und Ideen zu transportieren. »Wir müssten hier mit geschwellter Brust einherstolzieren, so viel Lob haben wir für Konzept und Umsetzung des Treffens erhalten«, versichert Jürgen Jesse, der in Bielefeld seit 38 Jahren eine renommierte Galerie führt.
»Die ART OWL wird sich als Kulturlicht etablieren«, das steht für Jesse fest, der viele Bewerbungen um einen Stand (»Koje«) im Historischen Saal der Raspi ablehnen musste. Elf Kunstexperten mit viel Erfahrung, darunter fünf aus der Region OWL, zeigten am Wochenende einen abwechslungsreichen, vor allem aber höchst sinnlichen Querschnitt durch die aktuelle Kunstwelt. Angeboten wurde das Kleinformat für 50 Euro wie der Dreizehntausender des Bauernkriegsmalers Werner Tübke, ein phantastisches Aquarell, das kämpfende Reiter zeigt.
Von üppiger Schönheit, lebensprall sind die Landschaften des Augsburgers Harry Meyer - ein auch von Jesse hoch geschätzter Maler, der seine Motive wie weiland van Gogh im Freien skizziert (Galerie Bernd Weise, Chemnitz). Das Herz höher hüpfen lassen auch die Arbeiten der Bielefelder Produzentengalerie, eines Zusammenschlusses von acht Künstlern, deren Bilder und Objekte im monatlichen Wechsel an der Rohrteichstraße 36 zu bewundern sind. Ralf Binnewies etwa hatte einen echten Hingucker plaziert: drei Stelen in Acryl auf Pappmaché auf Baueisen in poliertem Granit, beweglich. Hat nicht jeder.
Gesehen hat aber jeder schon mal die Typen, die Klaus Dobrunz, der aus Schweden nach Bielefeld gezogene Künstler, für seinen »Bahnhof von Ottbergen« in Form von Kleinplastiken aus farbig gefasstem Holz porträtiert: den lässigen Yuppie, die eifrige Hausfrau, den müden Handwerker (Galerie Jesse). Merke: Kunst darf Spaß machen, von den miesepetrig erigierten Zeigefingern, die Großereignisse (»documenta«) regelmäßig zur tour de ächz machen, mögen sich die ART-OWL-Veranstalter nicht die Laune verhageln lassen. Das Vergnügen war ganz auf der Seite der etwa 700 Besucher. »Ein höchst anspruchsvolles, kenntnisreiches Publikum«, schwärmte Jesse.

Artikel vom 08.11.2004