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Beklemmende Spurensuche
zum Pogrom des 9. November

Schüler gestalten das Gedenken an die »Reichskristallnacht«


Bielefeld (uj). »Die Atmosphäre in Buchenwald war bedrückend, und dieser Eindruck wurde noch verstärkt, weil es Winter war«, erinnert sich Jana Breipohl an den beklemmenden Besuch im Konzentrationslager vor zwei Jahren. Aus dem mehrtägigen Studienaufenthalt der Schülerinnen und Schüler der Gesamtschule Schildesche in der Gedenkstätte erwuchs eine Ausstellung, die am Dienstag, 9. November, im Rahmen der Gedenkveranstaltung zur »Reichskristallnacht« im Neuen Rathaus gezeigt wird.
In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 begann mit dem organisierten Judenpogrom die offene Verfolgung der jüdischen Bevölkerung. In Bielefeld ging in den frühen Morgenstunden des 10. November die Synagoge in der Turnerstraße in Flammen auf und wurde völlig zerstört. Auch jüdische Bürger sowie jüdische Geschäfte waren Ziele von Terroraktionen der Nationalsozialisten.
Günther Tiemann ist es wichtig, dass die Erinnerung an die »Reichskristallnacht« wach gehalten wird -ĂŠauch bei den nachwachsenden Generationen. Als Geschäftsführer der Deutsch-Israelischen Gesellschaft organisiert Tiemann gemeinsam mit der Jüdischen Kultusgemeinde, der evangelischen und katholischen Kirche und der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit alljährlich die Gedenkveranstaltung. Stets werden Bielefelder Schulen in die Arbeit des Arbeitskreises einbezogen. Diesmal waren es die Gesamtschule Schildesche, die sich mit besagter Ausstellung beteiligt, sowie die Klasse 9c der Brodhagenschule.
Auch hier fand eine lebendige, aktive und selbstgesteuerte Auseinandersetzung mit dem Thema »Pogrom« statt, die das Verständnis der Schüler nachhaltig erweitert hat. »Wir sind eine Schule mit hohem Migrantenanteil. Mir ging es darum, dass die Schüler das traurige Kapitel der deutschen Geschichte als Menschheitsgeschichte begreifen«, verdeutlicht Klassenlehrerin Dana Kuhlmann das Unterrichtsziel.
Der Versuch, die Lebenswege gleichaltriger deportierter Bielefelder Juden nachzuzeichnen, führte schließlich zur Entdeckung des Poesiealbums von Eva Feldheim und der intensiven Auseinandersetzung mit dem Einzelschicksal einer Jugendlichen, die sterben musste, weil sie jüdischen Glaubens war. Für Vlora Bikliqi ist das genau so erschütternd wie für ihre Mitschüler, die sich vom Poesiealbum zu eigenen Texten und Gedichten inspirieren ließen, die ebenfalls bei der Gedenkveranstaltung in dem Beitrag »Kinder sprechen für Kinder« vorgestellt werden.
Die Veranstaltung beginnt um 17.30 Uhr am Gedenkstein an der Turnerstraße. Nach dem gemeinsamen Schweigemarsch zum Neuen Rathaus geht es im Großen Sitzungssaal mit einer Ansprache des Oberbürgermeisters, mit musikalischen Beiträgen sowie den genannten Schüleraktionen weiter. Die Ausstellung »Schicksale von Häftlingen des KZ Buchenwald« kann bereits ab 16 Uhr im Foyer des Ratssaales besichtigt werden.

Artikel vom 08.11.2004