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»Wenn ich male, ist die Welt schön!«

Betheler Kunstprojekt für Menschen mit schwerer Behinderung wird von Ausstellung gekrönt


Bethel (WB). Nein, malen will sie auf gar keinen Fall. Das Atelier, der Pinsel, die Staffelei - alles wirkt fremd. Nach einigen Tagen greift die junge Frau dann doch zum Farbpinsel und haut ihn wütend aufs blanke Papier. Ein Bild entsteht voller Kraft und Emotionen. Das gefällt der frisch gebackenen Künstlerin.
»Wir haben einen langen Atem gehabt, weil wir wussten, dass wir von den 24 Künstlerinnen und Künstlern keine Ergebnisse erwarten konnten, schon gar nicht sofort«, sagt Sabine Feldwieser. Die Diplompsychologin und Kunsttherapeutin hat ein Jahr lang das Projekt »Malen und Zeichnen mit Menschen mit schwerer geistiger Behinderung« in Bethel wissenschaftlich begleitet.
24 Menschen mit schwerer geistiger Behinderung nahmen in der Zeit von April 2003 bis Mai 2004 an dem Mal- und Zeichenprojekt in den von Bodelschwinghschen Anstalten Bethel teil. Begleitet und assistiert von Bielefelder Künstlerinnen, erhielten sie Malstunden mit Einzelbetreuung. Das Projekt wurde ausschließlich durch Spendengelder finanziert. »Es ist gut angelegtes Geld, denn wir haben gesehen, dass sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit den künstlerischen Erfolgen auch persönlich weiterentwickelt haben. Malen ist eine Möglichkeit der Selbsterfahrung, und es wirkt Ich-stärkend«, erklärt Willi Kemper vom Betheler Künstlerhaus Lydda. Die Teilnehmer entwickelten eine Beziehung zu ihren Werken, lernten genauer zu beobachten und Formen und Farben zu erkennen.
Malen biete die Möglichkeit, in eine andere Welt einzutauchen, und fördert die intellektuellen, sensorischen und motorischen Fähigkeiten. Malen solle daher viel stärker in die Arbeit mit Menschen mit schwerer geistiger Behinderung einbezogen werden, so das Fazit des Projektes. Neben der wissenschaftlichen Arbeit gab es im Rahmen der Studie aber auch viele berührende Momente für das Team. So erinnert sich Sabine Feldwieser an eine Teilnehmerin, die ihre Lust am Malen mit den Worten formulierte: »Wenn ich male, ist die Welt schön.«
Die Arbeiten der 24 Künstlerinnen und Künstler mit schwerer geistiger Behinderung sind nun ab 12. November im Künstlerhaus Lydda am Maraweg 15 ausgestellt. Die Vernissage beginnt um 19 Uhr. Vorgestellt wird auch der Film zum Projekt »Farbe kommt raus« von der Hamburger Filmemacherin Alexa Höber.

Artikel vom 06.11.2004