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Das Lieblingsgericht ist Milchreis

Gertraut und Günter Freibe kochen und essen seit 1949 nach HdT-Rezept

Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). Eigentlich war es ein Kurs für Bräute, damals, 1949. Trotzdem meldete sich Gertraut Freibe, heute 84, an: »Die Währungsreform war vorbei, es gab wieder alles zu kaufen - ich wollte wissen, wie man modern kocht.« Braut war sie nicht mehr: »Ich habe 1939 geheiratet, hatte damals schon zwei Kinder.«

Auf einem Foto der Stadtwerke, das die zum 75-jährigen Bestehen des Hauses der Technik (HdT) veröffentlicht hatten, erkannte Gertraut Freibe: »Das war doch mein Kurs.« Gestern Abend hatte das HdT Gertraut Freibe und ihren Mann Günter (91) zum Brautpaar-Kochkurs eingeladen.
»Kurse für Brautpaare - das gab es damals doch noch gar nicht,« lacht Gertraut Freibe. Allerdings: »Mein Mann hat fürs Kochen auch nichts übrig.« Für die Kochkunst allerdings. »Meine Frau kocht immer noch jeden Tag - ich räume höchstens mal die Spülmaschine aus.« Seine Frau habe ihn immer verwöhnt, sagt Günter Freibe. Um ihm eine Freude zu machen, musste kein Vier-Gänge-Menü auf den Tisch kommen: »Mein Lieblingsgericht ist eigentlich Milchreis.«
Gertraut Freibe hat die Rezeptblätter von damals noch alle parat (»Da habe ich immer wieder gern nachgeschlagen«) und die Tipps und Kniffe, die sie im Kurs gelernt hat, die trug sie in ein Oktavheft ein: »Hier ist es - vergilbt, aber für mich gut leserlich!«
Das Ehepaar hat vier Kinder, elf Enkel und einen Urenkel und Gertraut Freibe kocht nach wie vor leidenschaftlich gern für die große Familie: »Wenn alle mitessen, das ist am Schönsten.«
1949 erlernte sie unter anderem die Zubereitung eines Reisauflauf, wie man gefüllte Eier macht oder Ragout fin, Bouillon kocht oder einen Apfelstrudel backt. Ihr Lieblingsrezept aus jener Zeit: eine Weintorte mit Früchten, aufwändig mit verschiedenen Schichten zu komponieren. Sie freut sich: »Das kam immer gut an, auch bei Gästen.«
Die Brautpaare, die gestern Abend gemeinsam mit dem Ehepaar Freibe im Kochstudio des HdT waren, bereiteten ein Vier-Gänge-Menü vor: Möhrensuppe mit Lachsstreifen, Kalbsbraten »Schweizer Art«, Pfirsich Kardinal und eine Schokoladen-Orangen-Torte. Den Freibes schmeckte es - und natürlich nahm Gertraut Freibe sich auch die Rezepte mit nach Hause.

Artikel vom 05.11.2004