Junge Virtuosin Anna Vinnitskaya beeindruckte im städtischen Kammerkonzert
Bielefeld (uj). Die »Appassionata« galt lange Zeit als ein Probestück für die »Beethoven-Tauglichkeit« von Pianisten, zugleich aber auch als Messlatte für Tastenlöwen, die das Stück benutzten, um generell ihre immense Virtuosität und wuchtig-wütende Ausdruckskraft unter Beweis zu stellen. Anna Vinnitskaya, 20 Jahre jung und in Kennerkreisen als zweite Martha Argerich gehandelt, gab zum Auftakt der städtischen Kammerkonzertreihe im Kleinen Saal der Oetkerhalle dann auch die Tastenstürmerin ohne Wenn und Aber. Zum Image ihrer etwas antiquiert wirkenden Beethoven-Interpretation -Ê viel virtuose Brillanz, aber wenig beseelte Durchdringung -Ê passt das Staubwischen auf der Tastatur. Aber einer ausgeprägten Künstlernatur gesteht man kleine Marotten schon mal zu. In Opus 57 empfahl sich die junge Russin als eigenwillige, energisch zupackende Musikerin von bisweilen wütender Impulsivität und Kraftendladung. Rationaler, gleichwohl kraftvoll und emphatisch, geht sie Busonis berühmte Bearbeitung der Chaconne BWV 1004 an. Vieles wirkt noch ein wenig unterkühlt strukturiert. Im Tempo prescht sie zielstrebig nach vorn, Agogik vernachlässigt sie fast vollständig, ebenso wie dynamische Schattierungen. Daneben aber verbreitet sie Entzücken, wenn sie ihre gebirgsklaren Läufe mit brillantem Raffinement über die Tasten perlen lässt. Einfühlungsvermögen, gepaart mit klavieristischem Witz zeigt die Vinnitskaya in Ravels drei romantischen Dichtungen »Gaspard de la nuit«. Und in Sofia Gubaidulinas stilistisch reicher »Ciacona« zieht sie noch einmal alle Register, die sie als Tastenkünstlerin von Format ausweisen. Unterm Strich bleibt der Eindruck einer Pianistin von enormer Kraft und Virtuosität haften, den sie mit zwei Zugaben lebhaft untermauerte: mit einer C-Dur Etüde von Chopin und einer Tastenattacke lisztscher Provenienz.
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