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Der Kranich


In der Luft macht sich der Kranich ganz lang: Hals, Körper und Beine bilden eine Linie, so dass er mit seinen großen Flügeln - Spannweite bis zu 2,20 Meter - gut voran kommt. Jetzt im Herbst ist der mit 1,15 Meter Höhe größte Vogel Mitteleuropas auf der Reise in seine Winterquartiere in Spanien und Portugal.
Startet so eine Schwarm morgens von einem Sammelplatz auf Rügen oder an der Müritz, können Vogelfreunde die typischen Flugformationen in der Mittagszeit über Ostwestfalen beobachten. Gelegentlich sind auch nachts die trompetenartigen Rufe ziehender Kraniche zu hören. Wer bei niedrig fliegenden Trupps ein helles Piepsen ausmachen kann, hat mitfliegende Jungvögel entdeckt.
Ornithologen bezeichnen die Kraniche als »Schmalfrontzieher«, da ihr Zugkorridor nur 200 Kilometer breit ist und sie deshalb im Frühjahr und Herbst nicht überall in Deutschland zu beobachten sind. Ihre Formation ähnelt einer schrägen Linie, auch einmal der Zahl Eins oder einem nach hinten offenen Dreieck. Der Vorteil: die hinten fliegenden Tiere sparen zehn bis 15 Prozent Energie. Die anstrengende Führungsposition wird deshalb regelmäßig gewechselt.
In den zurückliegenden 100 Jahren hatte sich das Brutgebiet der Kraniche um rund 350 Kilometer nach Norden und Nordosten verlagert. Erst in den jüngsten drei Jahrzehnten dehnt sich die Art wieder nach und in Mitteleuropa aus. Intensive Schutzmaßnahmen - schon zu DDR-Zeiten - und eine gewisse Anpassung der Kraniche an landwirtschaftliche Nutzflächen haben dies bewirkt. Ursprünglich brütete er (beide Elternteile sitzen auf dem meist zwei Eier großen Gelegen) in feuchten bis nassen Niederungsgebieten wie Bruchwäldern, Mooren, Feuchtwiesen und Rieden.
Übersommernde Kraniche in Ostwestfalen und im benachbarten Niedersachen lassen hoffen, dass er auch hier Brutvogel wird. Seine überwiegend pflanzliche Nahrung (Pflanzenteile, Samen und Feldfrüchte, seltener Insekten und kleine Wirbeltiere) findet er hier in ausreichendem Maße.


WESTFALEN-BLATT und Naturschutzbund (NABU) Bielefeld stellen in dieser Serie Vögel vor, die in Ostwestfalen ständig oder vorübergehend leben. Biologe Dr. Wolfgang Beisenherz und Redakteurin Elke Wemhöner porträtieren in der nächsten Folge am Dienstag Die Ringeltaube

Artikel vom 04.11.2004