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»Wer nicht artig ist,
kriegt nichts zu trinken«

Britische Soldaten aus Bielefeld gehen in den Irak

Von Matthias Meyer zur Heyde und Bernhard Pierel (Foto)
Bielefeld (WB). Motoren dröhnen. Überall Soldaten. Die Wege voller Marschgepäck. Die Catterick-Kaserne summt wie ein Bienenstock, denn noch heute geht es »ins Theater«. Gegeben wird ein gewalttätiges Stück: Das 7. Transportregiment wird in den Irak verlegt.

»In theatre« ist der soldatische Euphemismus für den Einsatz britischer Streitkräfte in Krisengebieten. Die Lage in den südirakischen Provinzen Basra und Maysan, in die die 700 Soldaten aus Bielefeld für die nächsten sechs Monate abkommandiert werden, ist angespannt, ja, geradezu lebensgefährlich, aber dass das Regiment jeden Tag in Gefechte verwickelt wird, dürfte recht unwahrscheinlich sein: »Viele der Kameraden werden im Camp eingesetzt, wir kümmern uns um die Versorgung mit Ausrüstungsgegenständen und Benzin«, erläutert der Regimentsadjutant, Captain Ed Bennett.
In der Kaserne an der Detmolder Straße ist von Angst nichts zu spüren; die Uniformierten in ihren Tarnanzügen legen demonstrativ Lässigkeit und Selbstbewusstsein an den Tag: »Wir sind stolz, unseren Teil zur ÝOperation TelicÜ beitragen zu dürfen - schließlich wurde jeder Soldat auf seine Aufgaben perfekt vorbereitet«, versichert Captain Bennett.
»Wer nicht artig ist da unten in der Wüste, kriegt eben kein Wasser«, scherzt Corporal Lee Chapman. Der 35-Jährige, seit neun Jahren in der Army und nach eigener Einschätzung »no hero«, kein Held, ist für die Versorgung mit Trinkwasser zuständig. Von seiner Frau hat er sich bereits frühmorgens zu Hause verabschiedet - es scheint, als wollten die Briten Stärke zeigen: Als die Busse an der Wachstube vorbei aus dem Tor rollen, weht kein Taschentuch im Wind und netzt keine Träne die Wange einer verlassenen Ehefrau.
Zuerst einmal werden sich die Neuankömmlinge, die turnusgemäß die 1. Brigade im Zweistromland ablösen, akklimatisieren müssen: »Die Hitze ist mörderisch«, sagt Corporal Neil Atkinson (28), der den Irak aus zwei früheren Einsätzen bereits kennt. »Und Hygiene wird dort wohl auch nicht wirklich großgeschrieben«, fügt Corporal Lisa Gardner (33) etwas missmutig hinzu.
Die größte Unwägbarkeit aber stellen die Einheimischen dar. Was haben die fremden Streitkräfte von ihnen zu erwarten? Um kritische Situation gleich entkrampfen zu können, haben sich die Briten Grundkenntnisse in der arabischen Sprache angeeignet. Fünf Zivilisten, ausgewiesene Irak-Kennner, sollen bei der Kontaktaufnahme helfen. Britische Philosophie: Respekt vor der Kultur des Iraks, kein Säbelrasseln - in bewusster Abgrenzung zum Auftreten der US-Boys.
Was hält man von den Amerikanern? »I won't comment on this«, sagt Chapman, und seine Kameraden murmeln Zustimmmung - sollen doch die hohen Offiziere in Waffenbrüderschaft machen. »Tatsächlich sind Kontakte zumeist auf die oberen Ränge beschränkt«, erklärt Captain Bennett.
Mit je zehn Kilo Gepäck steigen die Soldiers in den Bus, 45 Kilo sind längst auf dem Weg nach Basra. Was da drin ist? »Videospiele und ein paar Bücher«, sagt Lisa Gardner. Oft wird sie nicht zum Lesen kommen, denn sie ist für die Disziplin im Camp zuständig. Gehorchen ihr die Jungs? »Klar«, sagt Corporal Gardner, und die Jungs lächeln still.

Artikel vom 04.11.2004