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Sperrmüll als Fundgrube einer armen Kunst

Wolfgang Köhlers zeigt »dreckig rein raus«


Bielefeld (uj). Über die kulturgeschichtliche und gesellschaftspolitische Bedeutung der Krawatte könnten Bände gefüllt werden. Deshalb an dieser Stelle nur soviel: Wer Schlips trägt, signalisiert nicht nur Stil und einen gewissen Wohlstand, sondern auch Konformität mit bürgerlich geprägten Normen und Verhaltensweisen. Andersdenkende titulieren den Binder daher gerne leicht spöttisch als »Kulturstrick«, vornehmlich dann, wenn er an ihrem eigenen Hals baumelt.
Wer die Ausstellung »dreckig rein raus« besucht, trifft auf unzählige beschlipste Papp-Kameraden. Sie gehen auf das Konto von Wolfgang Köhlers, der als selbst ernannter Verfechter einer »Ars povera« -Ê einer armen Kunst - Pappgesichtern den Schlips umgebunden hat. Ein Schelm, wer böses dabei denkt, nein: »Mich hat interessiert, wer sind diese Menschen, wer hat die Krawatten einmal getragen?«, sagt Köhlers, der für drei Tage den Verkaufsraum einer ehemaligen Textilreinigung zum Showroom seiner Kunst macht.
Die Krawatten -Ê von Haute Couture bis H & M -Êstammen aus der Altkleidersammlung. Die Maluntergründe, auf denen der Künstler mit flottem Pinselstrich Gesichter skizziert, aus dem Sperrmüll. Fragend blickt das Heer der beschlipsten Papp-Kameraden dem Betrachter ins Gesicht und der blickt fragend zurück. Mit welch sparsamen Mitteln man doch anrührend aufrütteln kann. Daneben zeigt der freischaffend tätige Künstler großformatige Malerei von zeichnenhaftem Charakter. Sparsam setzt er auch hier seine Mittel ein, zeigt nur mehr Bruch- und Versatzstücke auf Wellpappe und Karton. Sie wirken wie kleine, visuelle Denkanstöße, die die Fantasie in Schwung bringen. Köhlers wurde 1950 in Werdohl im Sauerland geboren. Er studierte Grafik-Design an der Fachhochschule Bielefeld und spielte als Bassist in einer Jazz-Band. Die Austellung ist nur noch heute von 15 bis 19 Uhr in der Viktoriastraße 14 zu sehen.

Artikel vom 01.11.2004