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»Schwarzenegger wäre
ein besserer Präsident«

Literaturprofessor zur Wahl in den USA

Von Matthias Meyer zur Heyde (Text) und Bernhard Pierel (Foto)
Bielefeld (WB). Die »Stupid White Men« des Filmemachers Michael Moore hat Stefan Raab bereits im Seminar behandelt. Der Bielefelder Literaturwissenschaftler macht sich so seine eigenen Gedanken zur Wahl und zum deutsch-amerikanischen Verhältnis.

Zum Nachtisch an Bord des Auswandererdampfers gab es Pfannkuchen. Doch der Smut griff statt zum Backtreibmittel zum Kakerlakengift - der Kapitän starb, und die Passagiere, die »good old Europe« den Rücken gekehrt hatten, fürchteten, sie würden das gelobte Land niemals erblicken.
Gerade ist ein international besetztes Symposion im Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF), das Raab und sein Kollege Jan Wirrer organisierten, mit guten Ergebnissen zu Ende gegangen. Thema: »Die deutsche Präsenz in den USA« - oder, laienhaft formuliert: Wie deutsch ist Amerika? Die Ergebnisse werden erst im Sommer 2005 publiziert, aber bis zum kommenden Mittwoch ist im ZiF eine höchst informative, dabei äußerst sinnliche Ausstellung zum Thema Auswanderung (nicht nur über Kakerlakengift) zu sehen, täglich von 8.00 bis 15.30 Uhr.
»Die meisten verließen Deutschland, weil sie sich eine rosige wirtschaftliche Zukunft erhofften«, sagt Raab. Geschichten von Freiheitssinnigen, die nicht länger Fürstenknechte sein wollten und den »pursuit of political happiness« in Eigenregie anstrebten, gehören meist ins Reich der Fabel. Immerhin 48 Millionen (17 Prozent) der US-Bürger bekennen sich zu ihren deutschen Wurzeln.
Seit dem Irakkrieg kursieren in den USA wieder die alten Stereotype, denen zufolge die Deutschen Militaristen sind. Wie sich das mit ihrem neuen Image des Drückebergers (keine Bundeswehrsoldaten am Tigris) vereinbaren lässt, weiß auch Raab nicht.
Wer dagegen umgekehrt hier zu Lande die Amerikaner als großspurige Weltherrschaftsgläubige wahrnimmt, liegt nach Raabs Meinung nicht ganz falsch. Der Wissenschaftler, der neun Jahre in den USA lebte und eine Amerikanerin heiratete, sieht auch der Wahl am 2. November mit gemischten Gefühlen entgegen: »In diesem knappen Rennen lauert erneut - wie vor vier Jahren -Ê die Gefahr der Manipulation.«
Im Ausland lebende Zivilisten (Briefwähler) gelten als Kerry-Anhänger. Folge: »Meine Frau hatte Schwierigkeiten, rechtzeitig an die Wahlunterlagen zu kommen.« Raab prophezeit: »Mit John Kerry an der Spitze der Supermacht wird sich das politische Weltklima merklich entspannen.« Ein zweischneidiges Schwert: »Deutschland muss - auch militärisch - mehr leisten, aber die Wirtschaft erhält neue Chancen.«
Jenseits des Großen Teiches feilen Politiker gerade an einem Gesetz, dass erstmals gebürtigen Ausländern den Einzug ins Weiße Haus ermöglicht. Man spricht von einer »Lex Schwarzenegger«. Was hält der Literaturwissenschaftler von einem österreichischen Bodybuilder in Washington? »Ein Präsident Schwarzenegger könnte der Welt mehr Chancen eröffnen als ein Präsident Bush.« Hört, hört.

Artikel vom 30.10.2004