30.10.2004 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 


Bahn plant
Billig-Lohn:
Streik droht

Private Konkurenz immer stärker

Von Ernst-Wilhelm Pape
Bielefeld (WB). Die Deutsche Bahn (DB) will neue Firmen mit Billig-Löhnen gründen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Da die private Konkurrenz 20 bis 25 Prozent weniger Personalkosten habe, werde die DB im Nahverkehr immer mehr vom Markt gedrängt, sagte Konzernsprecher Gunnar Meyer dieser Zeitung.

Derzeit betrage der Marktanteil der DB im Nahverkehr noch knapp 90 Prozent, sagte Meyer. Im Nahverkehr sind bei der Bahn 40 000 Mitarbeiter beschäftigt. Bis 2018 seien alle deutschen Bahnverbindungen einmal öffentlich ausgeschrieben worden. Nach Angaben der Eisenbahner-Gewerkschaft Transnet geht die Bahn selbst davon aus, dass ihr Marktanteil bereits bis 2010 auf 70 Prozent sinkt.
In Ostwestfalen-Lippe hat die DB noch einen Anteil von 60,7 Prozent am Nahverkehr auf den Schienen. Die Nordwestbahn verfügt über 20, die Eurobahn über 19,3 Prozent. Die Deutsche Bahn befürchtet, dass sie auch die akuelle Ausschreibung des sogenannten Teutoburger Wald-Netzes und somit einen Auftrag von 150 bis 200 Millionen Euro verliert. Die insgesamt fünf Strecken mit einer Länge von 300 Kilometern führen durch Ostwestfalen-Lippe, das Münsterland und Niedersachsen.
Wie berichtet, hat die Bahn bereits das Oberlandesgericht Düsseldorf angerufen, um die Ausschreibung zu stoppen. Die Bahn wirft ihrer privaten Konkurrenz vor, Billiglöhne zu zahlen.
Bei europaweiten Ausschreibungen von Schienennetzen seien die Personalkosten entscheidend, fügte Bahn-Sprecher Meyer hinzu. Die Bahn habe bisher bei Ausschreibungen fast die Hälfte aller Strecken an die private Konkurrenz verloren. »Wir haben da ein Problem, dass bei den laufenden Tarifverhandlungen gelöst werden kann«, sagte Meyer am Freitag. Die Personalkosten müssten deutlich gesenkt werden. Dabei gehe es nicht um Lohnsenkung, sondern um mehr Leistung, die von den Beschäftigten bei gleicher Bezahlung erwartet werde.
Ließen sich die Personalkosten nicht auf Wettbewerbsniveau reduzieren, werde die Bahn verstärkt mit neuen eigenen Firmen, die nicht an bestehende Tarife gebunden seien, an Ausschreibungen teilnehmen. Meyer: »Für uns steht im Vordergrund, dass wir Aufträge erhalten. Dann sind auch die Arbeitsplätze gesichert.«
Die Tarifverhandlungen werden am Montag fortgesetzt. Nach Angaben von Transnet-Sprecher Michael Klein lehnt die Gewerkschaft die geforderte Verringerung der Einkommen um zehn Prozent ab. Klein warnte die DB davor, sich mit neuen Billig-Firmen am Spiel von Lohn- und Sozialdumping zu beteiligen. Die Gewerkschaft werde Maßnahmen ergreifen, notfalls bis zu einem Streik, um die geplante Tarifflucht zu stoppen. Ostwestfalen-Lippe

Artikel vom 30.10.2004