01.11.2004 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Einheits-Feiertag wackelt

Eichel erwägt Abschaffung - Wend kritisiert eigene Finanzpolitik

Von Andreas Kolesch
Bielefeld/Berlin (WB). Die Bundesregierung erwägt die Abschaffung des Einheits-Feiertages am 3. Oktober, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Das stößt auf Kritik in den eigenen Reihen.

Der Bielefelder SPD-Bundestagsabgeordnete Rainer Wend (50), Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Arbeit, sagte dieser Zeitung, dass er sich an einer Diskussion über die Feiertags-Streichung nicht beteiligen wolle. »Bevor das entschieden wird, muss man sehr intensiv prüfen, ob es nicht andere Möglichkeiten gibt, den Wirtschaftsmotor anzukurbeln.«
Nach einem Bericht der »Welt am Sonntag« war die mögliche Streichung des Feiertages Thema eines vertraulichen Gespräches zwischen Eichel und Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD). Eichel und Schröder hätten nach Möglichkeiten gesucht, das Staatsdefizit 2005 unter die Drei-Prozent-Grenze zu drücken, um nicht zum vierten Mal den europäischen Stabilitätspakt zu verletzen.
Ein Ministeriumssprecher bestätigte das Treffen. Entscheidungen seien aber nicht gefällt worden.
Etwa sechs Milliarden Euro könnte Eichel dem Bericht zufolge erlösen, indem er künftige Ausgleichszahlungen von Post und Telekom für Post-Pensionen vorab an Investoren verkauft. Der Finanzminister erwäge zudem, vier statt zwei Milliarden aus dem Marshall-Plan-Fonds zu entnehmen. Erörtert worden sei zudem die Möglichkeit, Ersparnisse aus der Abschaffung der Eigenheimzulage zunächst nicht in Bildung zu investieren.
Das stößt auf Kritik beim SPD-Wirtschaftsexperten Wend. »Davon halte ich gar nichts«, sagte er zur möglichen Schuldensenkung durch Abschaffung der Eigenheimzulage. Die Inanspruchnahme des Marshall-Plan-Fonds sei zudem rechtlich problematisch.
Als »legitim« bezeichnete Wend hingegen den Verkauf der Pensionsforderungen. Einem solchen Vorschlag könnte er »voll und ganz zustimmen.« Allerdings hege er Zweifel, »ob auf diese Weise Haushaltskonsolidierung weiter betrieben werden kann«. Mit kurzfristigen Maßnahmen reiße man »zukünftige Löcher auf«.
Wend spricht sich dafür aus, den Zuwachs des Staatshaushaltes unabhängig von der wirtschaftlichen Lage auf 1,5 Prozent zu begrenzen. In Zeiten höheren Wachstums könnten dann Mittel erwirtschaftet werden, die in schlechteren Zeiten zur Belebung der Konjunktur zur Verfügung stünden.
Dazu sei es aber notwendig, sich vom europäischen Stabilitätspakt mit der Drei-Prozent-Verschuldungsgrenze zu lösen und stattdessen Wachstumskriterien einzuführen. »Ich halte es für vernünftig, so zu verfahren«, sagte Wend. Seite 2: Leitartikel/Bericht

Artikel vom 01.11.2004