29.10.2004 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Die Rentner
gehen auch 2005 leer aus

Nullrunde fördert Altersarmut

Von Dietmar Kemper
Bielefeld (WB). Die knapp 20 Millionen Rentner in Deutschland bekommen auch im nächsten Jahr nicht mehr Geld. Der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) kündigte gestern in Kassel eine weitere Nullrunde an.

Wegen der geringen Lohnsteigerungen und der gesetzlichen Begrenzung des Rentenanstiegs sei nicht mehr drin, erklärte der VDR. Für Anfang 2005 drohe den Rentenkassen aufgrund der unsicheren Einnahmen sogar ein weiterer »finanzieller Engpass«. Der Sozialverband Deutschland (SoVD) hält die Belastungsgrenze für erreicht. »Für viele Kleinrentner wird es langsam eng, weil sie keinen finanziellen Spielraum mehr haben«, sagte Sprecherin Dorothee Winden dieser Zeitung.
Das Jahr 2004 fordere den Rentnern viel ab. Allein der volle Krankenversicherungsbeitrag auf die Betriebsrenten belaste die Ruhegeldempfänger seit dem 1. April mit 1,6 Milliarden Euro zusätzlich. Hinzu komme der volle Pflegeversicherungsbeitrag. Dadurch müsse ein Senior mit einer Bruttorente von 800 Euro statt 6,80 Euro jetzt jeden Monat 13,60 Euro bezahlen, rechnete Winden vor. Im Durchschnitt beziehen Männer eine Altersrente von 1057 Euro, Frauen von 508 Euro. Nullrunden treffen vor allem die Bezieher der Hausfrauenrente. Diese Frauen erwarben kaum Ansprüche.
»Rentner konnten die letzten Nullrunden nur durch Zurückhaltung beim Konsum ertragen«, sagte Brunhilde Kallenbach vom Sozialverband VdK Nordrhein-Westfalen dieser Zeitung. Jetzt sei das Maß voll. »Die Altersarmut wird durch die neue Nullrunde weiter zunehmen«, befürchtet die Leiterin der Abteilung Sozialpolitik beim VdK in Düsseldorf. Steigende Gebühren der Kommunen zum Beispiel für die Müllabfuhr und zusätzliche Kosten durch die Gesundheitsreform setzten die Rentner stark unter Druck.
Dass die Rentenversicherungsträger eine Nullrunde ankündigen, obwohl das Bundessozialministerium erst im Frühjahr über die Rentenanpassung 2005 entscheide, wertet Brunhilde Kallenbach als Versuch, die Rentner frühzeitig an schlechtere Zeiten zu gewöhnen. Weil ältere Menschen künftig noch mehr auf ihr Geld achten müssen, wirke sich die Ankündigung der Nullrunde »wirtschaftspolitisch kontraproduktiv« aus. Erzwungener Konsumverzicht sei Gift für die lahmende Konjunktur.
Der Sozialverband Deutschland forderte die Bundesregierung auf, nicht weitere Löcher in die Rentenversicherung durch Gesetze wie Hartz IV zu reißen. Dorothee Winden: »Außerdem müssen die Frühverrentung in den Unternehmen und im Öffentlichen Dienst gestoppt und eine Erwerbstätigenversicherung eingeführt werden, in die auch Beamte, Politiker und Selbständige einzahlen.«
Seite 4: Hintergrund/
Kommentar

Artikel vom 29.10.2004