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Behindertes Kind als
»Vorerben« einsetzen

Angehörigentag in Bethel mit wichtigen Tipps


Bethel (WB). Will Thomas B. an einer Freizeit teilnehmen oder ins Konzert gehen, springen seine Eltern ein. Das Taschengeld des Heimbewohners reicht für die kleinen Extras, die das Leben schöner machen, nicht aus. Die Eltern möchten, dass ihr geistig behinderter Sohn auch nach ihrem Tod weiter gut leben kann. Über die Gestaltung eines entsprechenden Testaments informierten sich jetzt rund 250 Angehörige in der Neuen Schmiede in Bethel.
Wenn ein geistig behindertes Kind erbt, das auf Sozialhilfe angewiesen ist, greift der Kostenträger für die Finanzierung der Betreuung auf das Vermögen zu, das über das »Schonvermögen« hinausgeht. Um dies zu verhindern, kann ein Erblasser sein Kind im so genannten Behindertentestament als »Vorerben« einsetzen. Es erhält dann, so lange es lebt, die Erträge aus dem Nachlass, wie Mieteinnahmen oder Zinsen.
Die eigentlichen Erben, die »Nacherben«, sind dem Sozialhilfeträger gegenüber nicht verpflichtet - das Vermögen bleibt so unantastbar. Damit diese Regelung Gültigkeit hat, muss der Erbteil des Vorerben dessen Pflichtteil übersteigen.
Der Erbteil des behinderten Kindes wird, so lange es lebt, durch einen Testamentsvollstrecker verwaltet, den der Erblasser bestimmt. Für Renate Heinz-Grimm, Anwältin in Marburg und Gastreferentin beim Angehörigentag des Betheler Stiftungsbereichs Behindertenhilfe, ist außerdem ein vom Vormundschaftsgericht eingesetzter Betreuer, der den Testamentsvollstrecker kontrolliert, »unverzichtbar«.
Aus den Erträgen des Erbes lässt der Testamentsvollstrecker dem Vorerben Zuwendungen zukommen, so wie der Erblasser sie vorgesehen hat. Sie müssen sich am Schonvermögen orientieren, das im Paragrafen 88 des Bundessozialhilfegesetzes festgelegt ist. Das Behindertentestament wurde als sittenwidrig angefochten. Der Bundesgerichtshof hat aber entschieden, dass diese Testamentsgestaltung zulässig ist.
Wer aus seinem Nachlass den Lebensstandard seines behinderten Kindes sichern, nach dessen Tod aber auch den Kostenträger entlasten will, kann eine Testamentsvollstreckung ohne Nacherbschaft anordnen. Wenn der Erbe stirbt und die Testamentsvollstreckung wegfällt, kann der Sozialhilfeträger auf das Erbe wegen der Kosten der letzten zehn Jahre zurückgreifen.

Artikel vom 29.10.2004