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Fels: »Dieses Gericht handelt nicht«

Kammervorsitzender erteilt Deal um Strafurteile eine klare Absage


Bielefeld (uko). Das Landgericht Bielefeld hat dem üblichen Schachern um Urteile in Strafprozessen eine Absage erteilt. Dieter Fels, Vorsitzender der 2. Großen Strafkammer, sagte gestern im Prozess gegen einen russischen Schwerverbrecher: »Kein Verteidiger in ganz Deutschland, wer auch immer, kann mit diesem Gericht eine Strafe aushandeln.«
Anlass zu dieser grundsätzlichen Aussage von Fels war das Ansinnen des Angeklagten, ab sofort nur noch von dem Bielefelder Strafverteidiger Dr. Holger Rostek vertreten zu werden. Staatsanwalt Franz-Josef Weber wirft dem 39-jährigen Oleg L. vor, mit Waffengewalt und der Unterstützung von Mittätern ein Bordell in Hille sowie zwei Banken in Petershagen und Bad Salzuflen überfallen zu haben (siehe auch die WB-Seite OWL). Die Russen hatten dabei im Jahr 1999 insgesamt 162 000 Mark erbeutet.
Der Angeklagte meinte gestern, Rostek werde für ihn »ein milderes Strafmaß aushandeln«, damit er bald in seine Heimat zurückkehren könne. Fels wies diese Forderung rundweg zurück. »Dieses Gericht handelt nicht.« Die Vorstellung des Angeklagten, ein Verteidiger könne Einfluss auf die Höhe des Strafmaßes nehmen, mag bei anderen Kammern richtig sein, bei dieser nicht.« Daran könne auch »die gesamte Armada von Rechtsanwälten aus dem Mannesmann-Prozess oder wer sonst auch immer hier sitzt« nichts ändern.
Und auf das vorliegende Verfahren bezogen, sagte der Kammervorsitzende: »Auch mit Dr. Rostek würde das nicht ein Jota von dem Urteil abweichen«, wie es mit der jetzigen Verteidigerin des Angeklagten gefällt werde. Fels: »Es mag sein, das Verteidiger etwas anderes in Aussicht stellen (das heiße nicht, dass Holger Rostek so etwas mache), aber ein solches Versprechen hat vor diesem Gericht keine Bedeutung.«
In den vergangenen Wochen hatten vor dem Landgericht Bielefeld Urteile anderer Strafkammern durch besonders milde Strafmaße für Aufsehen gesorgt. Der juristische Deal, also das Aushandeln eines Strafmaßes, ist mittlerweile sogar höchstrichterlich vom Bundesgerichtshof (BGH) »abgesegnet« worden.

Artikel vom 28.10.2004