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Ihm ging es stets
um die Wahrheit

Bernhard Wicki wäre heute 85

Bielefeld (WB). Keine große Retrospektive im Fernsehen, nur ein Film gestern versteckt im Nachtprogramm zu Ehren des großen deutschen Schauspielers und Regisseurs: Bernhard Wicki wäre heute 85 Jahre alt geworden.

Wicki, der am 5. Januar 2000 gestorben ist, gehört zu den Regisseuren und Schauspielern, die den deutschsprachigen Nachkriegsfilm am stärksten geprägt haben. Mit humanistischem Anspruch ging er an seine Werke, die auch international große Anerkennung fanden. In seinem Lebenswerk war es ihm nach Meinung von Kritikern und Kollegen immer um die Wahrheit gegangen. Mit Orson Welles teilte er eine große Risikobereitschaft und Filmbesessenheit.
Wie der berühmte Hollywood-Star investierte auch Wicki häufig seine Gagen in eigene Projekte. Der mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete Film »Die Brücke« nach einem Roman des Bad Tölzer Journalisten Manfred Gregor-Dorfmeister ist ein erschütternder und kompromissloser Anti-Kriegsfilm über das Schicksal einer Gruppe von Schülern, die als letztes Aufgebot bei der Verteidigung einer Brücke 1945 ums Leben kommen. Zu den Schauspielern gehörten Volker Lechtenbrink und Fritz Wepper. Wicki erhielt für den Film 1989 in Berlin das Filmband in Gold, das er ein Jahr später auch für seine Joseph-Roth-Verfilmung »Das Spinnennetz« mit Klaus Maria Brandauer und Ulrich Mühe bekam.
Eigentlich hatte der am 28. Oktober 1919 im österreichischen St. Pöltgen als Sohn eines Schweizer Ingenieurs geborene Wicki Dichter werden wollen. Aber 1938 bewarb er sich auf Gustaf Gründgens Schauspielschule in Berlin. Wegen seiner früheren Mitgliedschaft in einem kommunistischen Jugendverband musste er kurz darauf ins Konzentrationslager Sachsenhausen, nach zehn Monaten kam er mit Hilfe von Gründgens frei. Nach Bühnenrollen in Zürich, Basel, Bremen und München sorgte die Rolle des fanatischen wie gerechten Partisanenführers in Helmut Käutners Film »Die letzte Brücke« für seinen Durchbruch als Filmschauspieler.
Es folgten höchst unterschiedliche Rollen auf der Leinwand. Wicki spielte neben Lieselotte Pulver und Paul Hubschmid in dem Kinoerfolg »Die Zürcher Verlobung«. Als Regisseur trat er mit »Das Wunder des Malachias« (1961), »Der Besuch der alten Dame« (1964/USA), »Die Eroberung der Zitadelle« (1977), »Die Grünstein-Variante« (1984), oder »Sansibar« (1987) hervor. Wicki arbeitete auch als Synchronsprecher und für das Fernsehen, zum Teil mit seiner damaligen Frau, der Schauspielerin Agnes Fink zusammen.
Nach seinem letzten Film »Das Spinnennetz« (1987) hatte sich Wicki weitgehend aus dem Filmgeschäft zurückgezogen, um sich von einer Gehirnblutung zu erholen. Seinen letzten öffentlichen Auftritt hatte Wicki Oktober 1999.

Artikel vom 28.10.2004