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Erlösung durch Liebe -Ê
ein utopischer Entwurf

Rosamunde Gilmore inszeniert den »Holländer«


Bielefeld (uj). Immer sind es die Frauen, die sich opfern -Êin der Weltliteratur ebenso wie auf der Opernbühne. Erlösung durch Liebe war auch Richard Wagners Lieblingsthema und im »Fliegenden Holländer« fällt Senta die Rolle zu, den ruhelos Umherjagenden durch Treue bis in den Tod zu retten.
Mitleid als Erlösungsmotiv? Für Rosamunde Gilmore, die in Bielefeld Wagners Sturm-und-Drang-Oper inszeniert, ist das ein utopischer Gedanke, der in unserer Gesellschaft nicht mehr möglich erscheint. »Solch ein Opfer zu bringen, ist verpönt. Der moderne Mensch flüchtet eher in Zynismus oder steigt vorher aus«, sagt die Regisseurin, die in der vergangenen Spielzeit am Musiktheater im Revier Gelsenkirchen mit großem Erfolg Richard Wagners »Parsifal« inszenierte.
Sie habe am Holländer weniger die Frauenthematik als das Zwischenmenschliche interessiert, sagt Gilmore und kündigt an, den inszenierungstechnischen Blick auf die psychologisch interessanten Befindlichkeiten zu richten. Für sie seien der Holländer und Senta die einzigen Personen im Stück, die fähig seien, sich frei zu bewegen. In der Oper ebenso wie im Tanztheater zu Hause, hat Gilmore dafür eine choreografisch geprägte Umsetzung gefunden. Und zugleich ein Szenario kreiert, das weniger vom Realismus als vielmehr vom Symbolgehalt geprägt ist. Auf Spinnräder, so Dramaturg Roland Quitt, wird der Zuschauer also verzichten müssen.
Die psychologische Charakterisierung der Figuren, vom Musikdramatiker Wagner neu erfunden und kompositorisch differenziert gezeichnet, verbietet den Machern der Bielefelder Inszenierung, Brüche durch Pausen herbeizuführen. So orientiert sich die Aufführung an der ursprünglichen Werkgestalt. Von der dreiaktigen Form, die dem Komponisten allein durch äußere Rücksichten aufgezwungen war, kehrt die Inszenierung zu der balladenhaften Form eines Einakters zurück.
Eine Praxis, die Generalmusikdirektor Peter Kuhn kompositionsbedingt stützen kann: »Die Kunst, mit der Wagner Übergänge komponierte, sprechen für eine pausenlose Fassung.« Konkret: Für Zwei-Dreiviertel-Stunden Musik von sinfonischer Ausprägung. »Es klingt sehr schön in der Oetkerhalle«, sagt Kuhn, froh darüber, die Oper für die Zeit der Stadttheatersanierung aufgespart zu haben.
Es singen Rita Cullis (Senta), Kaja Plessing (Marie), Simeon Esper (Steuermann), Andrew Golder (Holländer), Hans Griepentrog (Daland) und Luca Martin (Eric).
Die Premiere beginnt am Sonntag, 31. Oktober, bereits um 18 Uhr in der Oetkerhalle.

Artikel vom 28.10.2004