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Kalt schlafen wie die Orchideen

Horst und Grete Pilgrim teilen ihr Zuhause mit 400 verschiedenen Arten

Von Michael Diekmann und
Bernhard Pierel (Fotos)
Bielefeld (WB). Wenn es um das Miteinander von Lebewesen geht, spricht der Biologe gern von Symbiose. Horst Pilgrim hat da seine ganz eigene Art der praktischen Demonstration: In seinem Haus an der Talbrückenstraße teilen Pilgrim und Ehefrau Grete die Räumlichkeiten mit mehr als 400 verschiedenen Orchideenarten.

Wenn Pilgrim (60) die kleine Bulbophyllum betrachten möchte, muss er fast schon zur Lupe greifen. Das gute Stück ist auf eine alte Baumrinde gebunden und gesellt sich zu der dichten grünen Gemeinschaft im Südfenster des Einfamilienhauses, fällt aber als besonders kleines Exemplar gar nicht auf. Während die Catleya labiata den stolzen Züchter bereits seit mehr als vier Wochen mit ihren wunderschönen fliederfarbenen Blüten begeistert, widmet der Schildescher der Catasetun auf dem Wohnzimmertisch jeden Morgen seine besondere Aufmerksamkeit: Der Fachmann wartet auf das Öffnen der Blüten, die wegen ihrer grünlich-cremfarbenen Tönung besonders selten sind.
Wer die Wohnräume des Ehepaares Pilgrim unweit des Obersees betritt, fühlt sich ein Stück weit in tropische und subtropische Lebensräume versetzt. Dicht bei dicht stehen und hängen die einzelnen Orchideenpflanzen auf Fensterbänken und an Holzgalerien vor den Fensterflächen. Die flach stehende Herbstsonne, deren Straheln durch die vielfältigen Triebe und Blätter mannigfach gebrochen werden, tauchen die Wohnräumein ein interessantes Licht. Pilgrims wohnen mit den Orchideen, und sie lesen jede Menge darüber. Horst Pilgrim, der das Hobby mit seiner Ehefrau teilt, zeigt sogar stolz einen Wanderpokal seines Orchideenclubs, den er für drei Jahre in Folge erhielt, in denen er als bester Fensterbänkler ausgezeichnet wurde. Fensterbänkler, das sind jene Orchideenfreunde, die kein großes Gewächshaus betreiben, sondern wirklich ihren Lebensraum mit den Pflanzen aus Südamerika, Südostasien und Afrika teilen. Im Sommer, freut sich der Schildescher, der auch als Fliegenfischer eine Institution ist, kommen 250 der 400 Orchideen nach draußen in den Garten.
Eine besondere Form der Symbiose haben Pilgrims auch, was ihre Schlafgewohnheiten angeht. »Glücklicherweise schlafen wir kalt«, schmunzelt Pilgrim und verweist auf die Schlafräume im Obergeschoss des Wohnhauses. In den Schlafgemächern verbringen die sensiblen Pflanzen ihre winterliche Ruhephase, bevor sie dann ihre stolzen Besitzer mit Blüten faszinieren.
Insgesamt 35 000 verschiedene Arten kennen die Orchideensammler, dazu kommen noch einmal mindestens doppelt so viele gezüchtete Varianten. Pflanzenvermehrung betreibt auch Horst Pilgrim. In Folienbeuteln hat er so genannte Bulben, abgebrochene Basistriebe von einzelnen Pflanzen, auf feuchtem Moos warm gelagert. Irgendwann, weiß der Experte über die natürlichen Schutzfunktionen der Pflanzen, treiben sie dann aus. Wer noch mehr über die Pflanzen erfahren möchte und sich für das einzigartige Hobby interessiert, sollte sich den dritten Samstag jedes Monats vormerken. Dann treffen sich die Züchter ab 15 Uhr im Hotel Quellental unterhalb von Peter auf«m Berge.

Artikel vom 26.10.2004