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Wo Roboter
Paketpost an
die Tür liefern

Kunst trifft Technik in der FH

Von Matthias Meyer zur Heyde und Bernhard Pierel (Foto)
Bielefeld (WB). Ihre Paketpost bringt Ihnen irgendwann ein Roboter an die Haustür. Glauben Sie's oder nicht -Êder technikbegeisterte Cartoonist Rolf Armbruster jedenfalls, dessen Bilder in der Fachhochschule an der Wilhelm-Bertelsmann-Straße zu sehen sind, prophezeit, dass die »Last Mile in the City« bald den scheppernden Blechmännchen gehören wird.

Kopenhagen - Bielefeld - Wien: 30 städtische Motive hat sich der 62-jährige Künstler einfallen lassen. Immer fährt ein ortstypisches Vehikel ins Bild - in Bielefeld ist es nach Armbrusters Vorstellung die Straßenbahn. Sofort tritt »ROBOTOman« in Aktion, entlädt die Tram und liefert die Pakete bis an die Haustür.
Nicht immer mit Erfolg, wie Bürgermeister Detlef Helling gestern argwöhnte: Sandro Chias vor dem Rathaus stehende Skulptur »Leidenschaft für die Kunst«, die Armbruster mit einem Paket im Schoß zeichnete, scheint sich nach einer Fehlzustellung die Haare zu raufen. Den Künstler, der früher selber als Logistik-Manager gearbeitet hat, focht die Frotzelei nicht an: »Die Beförderung jedweder Ware auf dem Weg vom letzten Lager zum Endabnehmer, auf der Ýlast mileÜ also, ist überproportional teuer - da mache ich mir eben Gedanken, wie Transportprobleme künftig gelöst werden.«
»Erstmals haben wir hier an der FH Technik und Kunst zusammengeführt«, sagte Ralf Hörstmeier, Dekan des Fachbereiches Maschinenbau. Auf seine Initiative hin ist bis zum Freitag, täglich von 8.00 bis 18 Uhr, im Foyer eine Auswahl der »Last Mile«-Motive zu sehen: Pariser bekommen ihre Päckchen per Fahrrad (Tour de France!), in Venedig stakt natürlich der Gondoliere herbei, in München liegen die Pakete praktischerweise gleich neben dem Bierfaß, und in der Toskana konnte Armbruster Michelangelos David als Zusteller verpflichten.
Darüber hinaus sind in der FH, in der die jungen Maschinenbauer, die Elektro- und Informationstechniker die Welt von morgen erfinden, Illustrationen zu Promi-Zitaten zu sehen: »Surfen im Material-Fluss« heißt Armbrusters Reihe, in der unter anderem ein Roboter einen Wecker per Boot über ein krokodilverseuchtes Gewässer rudert - darüber das Gorbatschow-Wort vom Zuspätkommenden, den das Leben bestraft.
Von den postergroßen Motiven gibt es jeweils 111 Exemplare (zum Stückpreis von etwa 50 Euro), und selbstverständlich überreichte Armbruster der lokalen Politik das Bielefeld-Bild mit der Nummer 1. »Das hängen wir im Rathaus dort auf, wo sich alle Besucher daran erfreuen können«, versprach Bürgermeister Helling.
Die optimistische Farbgebung des Bildes regte Helling zu manchen Assoziationen an. Die quaderförmigen Pakete »erinnern mich - Naturstein oder nicht - an die anstehende Pflasterung der Altstadt«, juxte der CDU-Mann gutgelaunt. Und im Anblick des so nie sichtbaren Ensembles von Jahnplatz-Normaluhr hinter Chia-Skulptur, Leineweber neben Sparrenburg und Straßenbahn vor dem Crüwellhaus befand er augenzwinkernd: »Soooo pittoresk habe ich Bielefeld gar nicht in Erinnerung . . .«
Über die fortschreitende Technisierung der Welt mag man geteilter Meinung sein. Dekan Hörstmeier berichtete von einem neuen Angebot auf dem Kölner Hauptbahnhof, wo man sein Gepäck nicht mehr dem altehrwürdigen Schließfach anvertraut, sondern einem automatisierten System: »Mein Laptop wäre dann irgendwo im Bauch des Gebäudes verschwunden - damit konnte ich mich nicht anfreunden.« Da waren Helling und seine Reisebegleiter mutiger: »Wir haben das System getestet - mit dem Erfolg, dass wir unseren Anschlusszug verpassten, weil das Gepäck nicht rechtzeitig zurückkam.«
Künstler Armbruster jedoch bleibt optimistisch, wobei ihm seine originelle Auslegung der Evolutionstheorie gute Dienste leistet: »In 5000 Jahren haben wir Menschen uns sowieso zu Robotern fortentwickelt.« So gesehen bringen wir uns die Post dann eben selber.

Artikel vom 26.10.2004