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Aus dem Stand 20 Stolpersteine

Christine Biermanns Geburtstagswunsch unterstützt Aktion gegen Vergessen

Von Burgit Hörttrich
und Bernhard Pierel (Fotos)
Bielefeld (WB). Mit den ersten zehn Messingplatten wollte der Zonta-Club Bielefeld den »Stein ins Rollen bringen«: Eva Hartog, Präsidentin des Bielefelder Clubs, engagiert sich für die »Stolpersteine«, ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig (57). Inzwischen hat die Bielefelderin Christine Biermann bereits die Mittel für 20 Steine zusammen bekommen.

Die Steine mit ihren Messingplatten, zehn x zehn Zentimeter groß, sollen, eingesetzt in den Gehweg, erinnern an Vertreibung und Vernichtung politisch Verfolgter, Juden, Zeugen Jehovas, Roma und Sinti, Euthanasieopfern, Homosexuellen (das WB berichtete mehrfach). Zehn Steine sollten der Anfang sein - dann wollte der Künstler selbst kommen. Jeder Stein mit der gravierten Messingplatte kostet 95 Euro. Christine Biermann hatte sich zu ihrem 50. Geburtstag an Stelle von Geschenken Geld für »Stolpersteine« gewünscht und zunächst einmal zurückhaltend eine Liste mit sieben Namen zusammen gestellt. »Ich freue mich, dass meine Gäste sich so bereitwillig engagiert haben, einige bewusst einen kompletten Stolperstein für einen bestimmten Menschen spenden wollen, zu dem sie eine persönliche Verbindung sehen,« sagt Christine Biermann, Lehrerin an der Laborschule.
Gemeinsam mit Dr. Monika Minninger, Leiterin des Stadtarchivs, hatte sie eine Liste zusammen gestellt - bislang 16 Namen, 16 Schicksale von politisch Verfolgten. Christine Biermann: »Wir treffen uns erneut, um weitere Namen und Adressen zu finden.« Vor den ehemaligen Wohnhäusern, aus denen die Menschen während des so genannten »Dritten Reiches« verschleppt wurden, sollen die »Stolpersteine« in den Gehweg eingelassen werden. Oberbürgermeister Eberhard David hatte nach Rücksprache mit dem Ältestenrat bereits seine Zustimmung signalisiert. Christine Biermann erzählt, dass einer ihrer Bekannten einen Stein für Richard Senkel (Am Sparrenberg 8) sponsern wolle, weil der, wie er selber, bei Anker gearbeitet habe; ein anderer möchte mit einem 'Stolperstein' die Erinnerung an Otto Appelfelder (Schloßhofstraße 187) wach halten, weil der dem Dachdeckerverband angehörte. Ihr Vater habe einen Stein für Hermann Kleinewächter (Priemelstraße 2) gekauft, weil er selbst wie Kleinewächter bei Dürkopp tätig war.
Christine Biermann erzählt, sie selbst sei 2003 in Köln im wahrsten Sinne über einen der Steine gestolpert: »Dann habe ich mich damit auseinander gesetzt, die Steine sind mir anschließend in Münster, Berlin, Hamburg aufgefallen.« Bislang wurden in Deutschland bereits 4000 Steine in 34 Städten verlegt.
Schön fände es Christine Biermann, wenn über die Menschen, an deren Schicksale die »Stolpersteine« erinnern sollen, ein Buch veröffentlicht werden könnte; Köln sei das Vorbild. Aber auch in Bielefeld scheint dafür ein Anfang gemacht zu sein: Christine Biermann trifft sich mit einer 16-jährigen Schülerin im Stadtarchiv, die eines der Schicksale beschreiben möchte. Im Oberstufenkolleg soll im nächsten Jahr ein Projekt anlaufen. Christine Biermann weist darauf hin, dass die politischen Opfer wegen Hochverrates angeklagt und hingerichtet worden seien: »Dazu reichte es schon, im Radio BBC zu hören.«
In Bielefeld wird die »Stolperstein«-Aktion von Eva Hartog koordiniert. Informationen gibt es im Internet unter www.stolperstein.de

Artikel vom 27.10.2004