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Irdisch schön in den himmlischen Heimathafen

Unichor sang Brahms' »Ein Deutsches Requiem«


Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Wo ist Hümmeke? Eine kurze Irritation beim Chorkonzert in der Oetkerhalle konnte am Sonntagabend schnell aus dem Weg geräumt werden. Der agile Leiter des Universitätschores Bielefeld und Oratorienchores Münster, Professor Dr. Werner Hümmeke, saß von einer Krankheit wieder genesen wohlbehalten im Parkett. Da er sich die Strapazen eines abendfüllenden Dirigates indes noch nicht zumuten wollte, hatte er den Stab Michael Preiser überlassen. Und der 31-Jährige, der seit eineinhalb Jahren dem Oratorienchor Münster als musikalischer Assistent verbunden ist und darüber hinaus vornehmlich als Pianist in Erscheinung getreten ist, bewies als Dirigent ein sicheres als auch formgebendes Händchen beim Programmreigen der musikalischen Totenfeiern.
Überlegungen hinsichtlich einer Auswahl von Musikwerken, die als thematische Hinführung zu Johannes Brahms' Komposition »Ein Deutsches Requiem« geeignet seien, führten zur Bach-Kantate »Ich will den Kreuzstab gerne tragen« und dem Choralvorspiel »Vor deinen Thron tret ich hiermit«.
Zum ersten kann gesagt werden, dass den Ausführenden die Schifffahrt in den himmlischen Heimathafen irdisch schön gelang. Im transparenten Klangbild des elegant schwungvoll aufspielenden Studentenorchesters Münster (Einstudierung: Joachim Harder) und im klangschön-hochgestimmten Ausdrucks-Bariton Klaus Mertens' vereinten sich Zuversicht und Seligkeit, ehe der Choral »Komm, o Tod, du Schlafes Bruder« die Kantate friedvoll-zärtlich abgetönt an sicheren Port führte.
Im Choralvorspiel gelang es Sebastian Pape an der Orgel, bemerkenswerte Zwischentöne herauszuarbeiten zwischen Empfindsamkeit und strukturierter Melodiefortschreitung, zwischen gedämpftem Farbauftrag und meditativer Versenkung.
Dankbar, so schien es, nahm der bemerkenswert einstudierte Chor die Herausforderung an, Brahms' monumentale Requiemkomposition klanglich sorgfältig auszuloten. Am Schönsten gelang dies freilich in den liedhaft choralmäßigen Passagen, wo verhaltende Empfindsamkeit im dynamisch nuancenreichen »Leisegesang« wunderbar herüber schwappte -Êohne tränenschwere Gefühlslagen zu beschwören.
Als rhythmisch und präzisionsgeschärftes Profilierstück servierten Chor und Orchester -Êmit brillant besetzten Holzbläsern -Ê»Alles Fleisch ist wie Gras« und Preiser lenkte hier mit viel Sinn für gefühlvolle Steigerungsbögen.
Ob als Fels des Glaubens oder Prophet mit Visionskraft: In Klaus Mertens vereinte sich der gereifte Schatz langjähriger Oratorienerfahrung mit technisch makelloser, wohlgerundeter Gesangskultur. Mit Uta Schwarzkopf stand eine ebenbürtige Sopranistin zur Seite, die ihre lyrisch-pastorale Soloarie »Ihr habt nun Traurigkeit« durchdringend innig gestaltete, angenehm warm timbriert, aber auch mit Leuchtkraft.
Insgesamt gelang eine atmosphärisch dichte Wiedergabe, bei der tröstliche Empfindsamkeit vorherrschte, aber auch die bildlich großräumige musikalische Entfaltung überwiegend präzise, punktgenau und spannungsvoll gelang. -ÊDas Publikum dankte berührt und langanhaltend.

Artikel vom 26.10.2004