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»Führung erspielt, Sieg erkämpft«

Leidenschaftliche Arminen feiern gegen Hertha BSC mit 1:0 den ersten Heimsieg

Von Werner Jöstingmeyer
Bielefeld (WB). Der Werbeslogan ist Programm. »100 Jahre Leidenschaft«, lautet das Motto, mit dem der DSC Arminia auf seinen 100. Geburtstag am 3. Mai des kommenden Jahres aufmerksam machen will. Und die apostrophierte Leidenschaft hat der ostwestfälische Rekordaufsteiger unter der Regie von Uwe Rapolder verinnerlicht.

»Wenn wir so weitermachen, ist mir um den Klassenerhalt nicht bange«, jubelte der 46-jährige Fußball-Lehrer nach dem glücklichen, aber nicht unverdienten 1:0-Erfolg gegen Hertha BSC Berlin. Nach den drei Auswärtssiegen in Nürnberg, Hannover und Hamburg legten die Bielefelder jetzt im fünften Anlauf vor nur 21 141 Zuschauern endlich ihren Heimkomplex ab und verbuchten in der SchücoArena den ersten »Dreier«.
»Die Führung erspielt, den Sieg erkämpft«, so fasste Präsident Hans-Hermann Schwick die 90 dramatischen Minuten zusammen und sah sich in der Analyse mit Trainer Rapolder einig: »In der Schlussphase haben wir mächtig Glück gehabt.«
Arminia begann zielstrebig und offensiv. Als zweite Spitze unterstützte diesmal Delron Buckley den bisherigen »Alleinunterhalter« Fatmir Vata. Das schnelle direkte Kombinationsspiel honorierten die Fans immer wieder mit Beifall. Den Torschrei hatten sie nach 24 Minuten erstmals auf den Lippen, als Buckley im Berliner Strafraum nach Vatas Anspiel zu zögerlich den Abschluss suchte und von Ex-Armine Arne Friedrich in letzter Sekunde am Erfolg gehindert wurde.
Auf der Gegenseite mühten sich die pomadig wirkenden Herthaer vergeblich, das gut abgestimmte Bielefelder »Bollwerk« zu knacken. Der erneut maskierte Abwehrchef Petr Gabriel und seine »Spießgesellen« hatten die Berliner Offensive jederzeit im Griff.
Mit einem Zuckerpass auf Delron Buckley leitete Fatmir Vata fünf Minuten vor dem Seitenwechsel die verdiente Arminia-Führung ein. Wie zuletzt in Hamburg fackelte der Südafrikaner nicht lange und ließ mit einem platzierten Flachschuß ins rechte Eck Hertha-Schlussmann Christian Fiedler keine Chance. Schimpfte Trainer Falko Götz wie ein Rohrspatz: »Dieses Tor war doch zu erahnen« und spielte damit auf den Stellungsfehler von Josip Simunic an.
Mit dem ehemaligen Bielefelder Artur Wichniarek für Thorben Marx erhöhte Berlin im zweiten Abschnitt den Druck. Benjamin Lense musste sich in der 60. Minute schon mächtig strecken - und das bei einer Körpergröße von 1,90 Meter -, um »König Artur« im letzten Augenblick den Ball vom einschussbereiten Fuß zu spitzeln.
Die Hertha-Chancen häuften sich. Rapolder reagierte, wechselte für den müder werdenden Lense »Youngster« Finn Holsing ein. »Auf unserer rechten Flanke hat es zunehmend gebrannt.«
Kurz vor dem Abpfiff stockte nicht nur »Präses« Schwick der Atem, als Artur Wichniarek nach Bastürks Flanke plötzlich mutterselenallein vor Mathias Hain auftauchte, den tüchtigen DSC-Schlussmann aber aus kürzester Distanz per Kopfball nicht überwinden konnte. Mit einem phantastischen Reflex lenkte »Matze« das Leder an den Pfosten und vereitelte den schon sicher geglaubten Berliner Ausgleich. »In diesem Moment dachte ich, mein Herz bleibt stehen«, gab Uwe Rapolder zu.
Sein Kollege Falko Götz, dessen Bundesligakarriere übrigens nach seiner Flucht aus der damaligen DDR vor genau 20 Jahren im Trikot von Bayer Leverkusen in Bielefeld begann, war ziemlich angefressen: »Ich bin total sauer, weil wir hier heute den Sieg verschenkt haben.«
Durch den vierten Saisonerfolg kletterte Arminia auf den siebten Tabellenplatz. Am Mittwoch geht die Reise nach Leverkusen und nächsten Sonntag treten die Bielefelder im Fritz-Walter-Stadion beim 1. FC Kaiserslautern an. Obwohl sich sein Team etwas Luft im Abstiegskampf verschafft hat, will Uwe Rapolder die Spannung hoch halten. Seine Warnung trotz aller Euphorie: »Wenn wir jetzt mit dem Erreichten zufrieden sind, kriegen wir in Leverkusen fünf Stück.« Doch der Trainer glaubt an die Bielefelder Leidenschaft. »Die Mannschaft ist charakterstark. Sie hat begriffen, dass Fußball ein Teamspiel ist. Deshalb steigen wir auch nicht ab.«

Artikel vom 25.10.2004