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Angst - am Ende der Leine

Kongress für Tierarzthelferinnen: Aufklärung und Ratgeberforum

Von Marco Purkhart
Gütersloh (WB). Der Tierarztbesuch - für viele die Horrorvorstellung. Der arme Hund und die zitternde Katze, was müssen sie nicht alles über sich ergehen lassen, welch ein Leiden. Doch mit diesem Glauben liegt der Mensch falsch: Die wahre Angst herrscht am anderen Ende der Leine. Das weiß nur kaum jemand. Aufklärung ist angesagt.

Eigentlich sollte es ausschließlich eine Fortbildungsveranstaltung werden. Doch weil der Wissensdurst der Besucher derart groß ausfiel, mauserte sich der »3. Fachkongress für Tierarzthelferinnen« letztlich auch zum Ratgeberforum für die Bürger - mit einigen sehr interessanten Fakten, die da am vergangenen Wochenende in der Gütersloher Stadthalle zu Tage gefördert wurden.
Ungläubige Laien-Blicke ernteten vor allem die Zukunftstrends in Sachen Hundepflege: Um sich und dem bellenden Vierbeiner die knapp 80 Euro teure Zahnstein-Entfernung zu ersparen, setzt das moderne Herrchen tatsächlich auf die konventionelle Zahnbürste. Ganz wie beim Menschen, allerdings mit einer Zahnpasta der Geschmacksrichtung Rind oder Pute. Lecker!
Recht luxuriös dagegen die Reflexzonenmassage: Dobermann-Weibchen »Hera« gefällt die Durchkneterei sichtlich gut, sie schläft vor Entspannung beinahe ein. Fast jeder Hund scheint die Prozedur zu mögen, sorgt sie doch für Ausgeglichenheit und baut den tierischen Stress ab.
»Stressfrei« ist ohnehin das Zauberwort auf der zweitägigen Veranstaltung des BDA, dem Berufsverband der Arzt-, Zahnarzt- und Tierarzthelferinnen. Ein großer Teil der Vorträge und Seminare in der Stadthalle widmet sich der Frage, wie man möglichst ohne großen Ärger zum Tierarzt gelangt. »Ganz einfach: Man muss sich einreden, dass alles gar nicht so schlimm ist, und man sollte gut gelaunt sein. Das Tier spürt die Ängste und den Unmut des Menschen nämlich«, rät Dagmar Drobetz, stellvertretende Referatsleiterin des BDA. Und sie fügt hinzu: »Nehmen Sie Ihren Welpen einfach mal zum Tierarzt mit. Da bekommt er ein Leckerchen, und man spielt mit ihm. Das macht einen Arztbesuch im Ernstfall einfacher und viel stressfreier für alle.«
Stressresistent sind mittlerweile auch viele Tierarzthelferinnen. Denn welch ein geringes Prestige sie für ihren harten Job ernten, sorgt nicht selten für Ernüchterung. Allein die Berufsbezeichnung ist negativ behaftet und klingt nach einer niveaulosen Tätigkeit im Schatten des Arztes. »Wir haben noch immer mit dem Image der Sprechstundenhilfe zu kämpfen«, ärgert sich die BDA-Vorsitzende Hannelore König. Dabei sei die Tierarzthelferin in vielen Fällen die Managerin der Arztpraxis. Das vielfältige Aufgabenfeld beinhaltet neben OP-Assistenz und einfachen Behandlungen ebenfalls Psychologie, Verwaltungsaufgaben, Laborarbeit und zunehmend Beraterfunktionen. Ein Arbeitstag kann da schon mal 15 Stunden dauern.
Dass der zu 95 Prozent von Frauen ausgeübte Job dennoch mit einem Brutto-Einstiegsgehalt von 1276 Euro lediglich im Niedriglohnsektor geführt wird, lässt bei den 1500 im BDA organisierten Tierarzthelferinnen oftmals Frust aufkommen. »Zumindest über etwas mehr gesellschaftliches Ansehen würden wir uns freuen«, formuliert Dagmar Drobetz stellvertretend für ihre Zunft einen Herzenswunsch.
Diesem Ziel ist der BDA bereits ein gutes Stück näher gekommen: Ab dem Jahr 2005 entsteht ein neuer Ausbildungszweig, der den Tierarzthelferinnen die Berufsbezeichnung »Tiermedizinische Fachangestellte« verleiht - inklusive mehr Schlüsselkompetenzen sowie höhere Aufstiegschancen.

Artikel vom 25.10.2004