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Führungsstil
in Frage gestellt

Streit in der jüdischen Gemeinde

Von Manfred Matheisen
Bielefeld (WB). In der jüdischen Kultusgemeinde Bielefeld herrscht Unfriede. Etliche Mitglieder halten der Vorsitzenden Irith Raub-Michelsohn undemokratischen Führungsstil vor. Mit Unterstützung des ehemaligen Landesrabbiners Dr. Henry G. Brandt weist Frau Raub-Michelsohn die Vorwürfe zurück.

220 Mitglieder zählt die Gemeinde. Der weit überwiegende Teil stammt aus Osteuropa. Das Führungsgremium, die Gemeindevertretung, besteht aus fünf Personen, die aus ihrer Mitte zwei gleichberechtigte Vorsitzende wählen. Seit 2001 sind dies Irith Raub-Michelsohn und Larissa Karwina
Eine innergemeindliche Opposition mit dem ehemaligen Vorstand Alfred Spier, dem amtierenden Vorsitzenden der Gemeindevertretung, Arkadij Perlov, und Daphne Wolff an der Spitze sehen die Entwicklung der Kultusgemeinde gefährdet. »Undurchsichtiges Finanzgebaren«, die Verletzung demokratischer Regeln und eigenmächtiges Handeln der Vorsitzenden Raub-Michelsohn ließen ein gedeihliches Miteinander kaum noch zu.
Vor wenigen Tagen ist auf Initiative von Frau Wolff ein »Jüdisches Kulturzentrum Bielefeld« gegründet worden, das in eine zweite Bielefelder Kultusgemeinde münden könnte.
Von einer möglichen Spaltung der Gemeinde will Henry G. Brandt, der Bielefeld als Landesrabbiner viele Jahre betreut hat, nichts wissen. Die Vorwürfe der Opposition seien haltlos. Jeder aktive Mensch mache Fehler, auch sei die Vorsitzende »keine Heilige«, aber: »Fast aus dem Nichts hat sich Bielefeld zu einer Gemeinde entwickelt, die man vorzeigen kann.« Zudem sei ihm unverständlich, dass Dinge in die Öffentlichkeit getragen würden, die intern geregelt werden müssten: »Das ist nicht konstruktiv«.
Der Zwist in Bielefeld beschäftigt mittlerweile auch das Schiedsgericht beim Zentralrat der Juden in Frankfurt. Die Abwahl von Arkadij Perlov, der eine Finanzprüfung verlangt hatte, ist dort als ungerechtfertigt aufgehoben worden.
Ob und wie der Konflikt gelöst werden kann, bleibt offen. Den Hinweis von Brandt und Raub-Michelsohn, die Opposition sei nicht zu Gesprächen bereit, weist Daphne Wolff entschieden zurück. Man habe kürzlich sogar den Landesverband in Dortmund um Vermittlung gebeten, sei bislang aber ohne Antwort geblieben. Dass nun der ehemalige Landesrabbiner, der eigentlich ausgleichen solle, »einseitig Partei ergreift«, sei ein befremdliches Verhalten.
Am 7. November steht in der Kultusgemeinde die Wahl der Gemeindevertretung an. Elf Mitglieder, unter ihnen Frau Raub Michelsohn und Perlov, haben sich um die fünf Sitze beworben.

Artikel vom 23.10.2004