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Das Wort zum Sonntag

Von Pfarrer Wolfgang Zenker


Wohin mit dem Müll? Unter dieser Fragestellung schreibt Axel Kühner in seinem Buch »Zuversicht für jeden Tag«: »Wo es geht, vermeiden wir den Müll. Der unvermeidbare Müll wird sorgsam getrennt. Glas kommt in die verschiedenen Container, Altpapier ebenso. Alte Medikamente bringen wir zur Apotheke, wo sie entsorgt werden, und Altöl nimmt der Händler zurück. Plastik kommt in den gelben Sack, Küchenabfälle in die Biotonne und der Restmüll landet in der Hausmülltonne. Farben, Lacke und Metalle werden zu Sondermüllorten gebracht. So versuchen wir, verantwortlich mit all dem Wohlstandsmüll unserer modernen Konsumgesellschaft umzugehen. Der Grüne Punkt und die Blauen Engel begleiten uns.
Lebensmüll unter
Kreuz abladen
Aber wo bleiben wir mit dem Lebensmüll, der sich so im Laufe der Jahre ansammelt: mit den schmutzigen Gedanken und verfaulten Phantasien, den verbeulten Seelen und angefressenen Herzen, dem Beziehungsschrott und dem ganzen Mist vergeblicher Mühen, mit dem Angstabfall und den Sorgenbergen, den Schuldgefühlen und Versagenslisten, den abgestandenen Vorwürfen und den lange schon eiternden Verletzungen, den verlogenen Phrasen und billigen Tröstungen, die noch unentsorgt in unseren Seelen ein ungeordnetes Gerümpel bilden? Wenn man das einfach irgendwohin bringen, abgeben und verbrennen oder sogar für immer entsorgen könnte!
Es gibt diese Möglichkeit. Unter dem Kreuz Jesu dürfen wir alles, was Herz und Seele schmerzt, Schuld und Versagen, beschädigtes, verfaultes und dreckiges Lebensgut abgeben und loswerden. Vergebung und Heilung, Versöhnung und Reinigung, Entlastung und Erneuerung sind die Angebote unseres Heilandes am Kreuz. Er gibt uns mehr als Grüne Punkte und Blaue Engel. Er schenkt uns ein geheiligtes und verwandeltes Leben ohne Verfallsdatum und mit ganz viel Hoffnung auf letzte Vollendung.«
Die Bibel fasst dies zusammen in den Worten: »Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur: das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden (2. Korintherbrief 5,17)«.
Es kam einmal eine Frau zu mir, die schon, wie sie sagte, bei vielen Pfarrern gewesen war und befreit werden wollte von einer Last ihres Lebens. Ich saß in der Sakristei, in der die Möglichkeit zum Gespräch und zur Beichte jeweils vor dem Abendmahlssonntag gegeben wurde, um dann einen Neuanfang machen zu können. Ich fragte sie, ob sie sich erklären könnte, wieso sie nach so vielen Besuchen keine Ruhe fand. Es wurde deutlich, dass sie ihre Last nicht loswerden konnte, weil sie diesen Glauben nicht hatte.
Martin Luther macht in seinem Katechismus unter dem Kapitel zur Beichte deutlich, dass entscheidend ist, ob ein Mensch glaubt, dass ein Pfarrer oder eine Pfarrerin im Auftrage und stellvertretend für Gott dessen Zusage geben kann, von der Last und Schuld eines Lebens befreit zu werden. Als sie dies verneinte, wurde klar, warum sie ihre Last nicht loswerden konnte.
Glaubst du das?, fragt Jesus die Schwester des Lazarus (Johannesevangelium 11, 25 f.). Vertrauen Menschen den Zusagen Gottes, der Macht des Kreuzes und der Macht der Vergebung in seinem Namen? Oder wissen wir zu wenig davon, welche Möglichkeiten der Glaube bietet?
Vielleicht eröffnet sich ein neuer Weg in den Messen und Gottesdiensten, im Lesen der Bibel und darin, Gott beim Wort zu nehmen und ihm zu vertrauen. Oder einfach auch nur darin, mit Menschen, die davon wissen und ihre Erfahrungen gemacht haben, wo und wie wertvoll für sie ihre seelische Entsorgungsstelle ist.
Ich wünsche Ihnen einen guten neuen Anfang der Woche in diesem Sinne.

Ihr Wolfgang Zenker

Artikel vom 23.10.2004