23.10.2004 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Das Wort zum Sonntag

Von Pfarrer Hans-Jürgen Feldmann


Humor kann eine Frucht des Glaubens sein. Sie stellt sich ein, wenn Menschen es wagen, die Dinge einmal mit den Augen Gottes zu sehen, aus der Perspektive der Ewigkeit, aus dem Blickwinkel dessen, das nicht vergeht. Solcher Humor kann unterscheiden zwischen dem, was letztgültig ist und nur relativ, was einen unzerstörbaren Wert hat und was dem Verschleiß unterliegt. Vergängliche Gegebenheiten aber sind mit absoluter Sicherheit nicht von Dauer.
Daher rät der Apostel Paulus, sie zu haben, als hätte man sie nicht. Er schreibt: »Fortan sollen auch die, die Frauen haben, sein, als hätten sie keine; und die weinen, als weinten sie nicht; und die sich freuen, als freuten sie sich nicht; und die kaufen, als behielten sie es nicht; und die diese Welt gebrauchen, als brauchten sie sie nicht« (1. Kor. 7,29-31). Alles andere wäre Täuschung und Selbstbetrug. Es gilt also zu unterscheiden zwischen dem, was dem Leben Sinn gibt, Halt und ein tragfähiges Fundament und dem, was dergleichen nur vorschwindelt, sich aber im Ernstfall als Seifenblase erweist.
Sie ist es unfreiwillig komisch, wenn das Dichten und Trachten fast ausschließlich um materielle Dinge kreist, als hätte das letzte Hemd eben doch Taschen. Manchmal, wenn etwa ein alter Mensch sich immer wieder einbildet, man habe ihm sein Portemonnaie gestohlen, was er doch nur verlegt hat, streift es sogar den Rand des Makabren. Es lässt den Menschen als eine Karikatur erscheinen in den Klauen seines Geldes. Dies gibt ihn nicht einmal frei, wenn er am wenigsten davon noch braucht. Bei Licht besehen, wirkt es ebenfalls lächerlich, was für Anstrengungen und Verrenkungen viele auf sich nehmen, um nur genügend Beachtung zu finden.
Das reicht bis in die Gefilde der Tragikomödie, bei der einem allerdings das Lachen im Halse stecken bleibt. Eine Zeitschrift berichtete einmal über die Modedroge Kokain, die ja vor allem auch deshalb genommen wird, um in der im Grunde aufreibenden Spaßgesellschaft mithalten zu können.
Dabei wird jemand zitiert, den das Gift schon ruiniert hatte: »Zum Schluss, ohne das Zeug, biste niemand, biste nix mehr, eine leere Hülle, soÕn Roboter, dem der Strom ausgeht.« Paulus rät nicht, wie die Stoiker, die Geschenke des Lebens nur mit spitzen Fingern anzufassen und die Freude darüber auf Sparflamme zu halten, weil man ja doch nichts behalten kann, sondern nach und nach alles wieder abgeben muss
Solche Haltung begibt sich von vornherein auf die Verliererseite des Daseins; sie ist ganz auf Verlust eingestellt. Der Apostel dagegen bezeugt Gott als den, der den Seinen alles, was für sie gut ist, von Herzen gönnt und es ihnen gern gibt. Er sieht Menschen, die Gott vertrauen, grundsätzlich auf der Gewinnerseite. Denn diese wissen: Gott hört nicht auf, uns zu beschenken.
Wir sind schon jetzt eingetaucht in den Glanz der Ewigkeit, und Gott will unser kleines Leben nach dieser Zeit in die Ewigkeit zurückrufen, um es zu vollenden. Diese Zusage aber vermag einen erst dann zu erreichen, wenn er Zeitliches und Ewiges nicht mehr miteinander verwechselt. Diese Unterscheidung macht zudem frei, zumindest freier - von vielen unnötigen Sorgen, von der Angst, etwas zu verlieren, von der Panik, etwas zu verpassen. Und wohlgemerkt: Auch das Belastende, das, was einen niederdrückt und einem die Luft zum Atmen nehmen will, gehört ebenfalls auf die Seite des Zeitlichen, dessen, das vorübergeht und überwunden wird. »Fortan sollen auch die, ... die weinen, (sein), als weinten sie nicht.«
Daraus ergibt sich nicht lediglich die Kunst, bei Schicksalsschlägen Haltung zu bewahren und sich nicht hängen zu lassen. Daraus entsteht die Kraft der Hoffnung, dass Gott erneuert und zu neuem Leben erweckt, was hier zerbricht und sterben muss

Artikel vom 23.10.2004