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Backstein und Linoleumfetzen

Das Stadttheater wird noch bis zum Jahresende vollständig entkernt

Von Burgit Hörttrich
und Carsten Borgmeier (Fotos)
Bielefeld (bp). »Bis zum Jahresende dauert es noch,« ist Architekt Christoph Klasing vom Büro Oehme + Partner, das die Bauleitung vor Ort übernommen hat, sicher. »Es« das ist das Entkernen des 100 Jahre alten Stadttheaters. Im Parkett stapeln sich Furnier und Linoleumstücke, die Wände hoch bis zum 2. Rang bestehen nur noch aus Backstein.

Zu erkennen sind ehemalige Türen, die vor langer Zeit zugemauert wurden. Unten im Saal hängen noch Fetzen von ochsenblutroter Tapete an den Wänden, mehr als 70 Jahre verborgen unter dem Furnier.
Günther Tiemann, Vorstand der Theaterstiftung: »Wir wissen so gut wie nichts über die Farbgestaltung des Stadttheaters zum Zeitpunkt der Eröffnung - schließlich gab es damals nur Schwarzweiß-Fotografie -, aber es wurde ja schon immer vermutet, dass es sehr farbig zugegangen ist.«
Es ist staubig, das Parkett wirkt klein, beengt. Demnächst werden die Ränge entfernt. Tiemann: »Von vielen Plätzen dort oben konnte man kaum sehen, was auf der Bühne geschah.« Der Umbau sorgt nicht nur dafür, dass das Publikum von jedem der neuen Theatersessel freien Blick auf die Bühne hat, die Bühne selbst wird auch deutlich größer. Das Portal wird von bislang 8,25 Meter auf zwölf Meter verbreitert. Tiemann: »Das eröffnet völlig neue künstlerische Möglichkeiten.« Zudem wird der Orchestergraben so vergrößert, dass bis zu 76 Musiker dort Platz finden können.
Während innen gerissen und demontiert wird, ohne allerdings die denkmalgeschützten Teile des Gebäudes - dazu gehört auch die Form des Theatersaales selbst - zu verändern, entsteht draußen auf dem ehemaligen Parkplatz an der Turnerstraße bereits der Anbau. Dort finden ein neuer Ballettsaal und ein Raum für die Vormontage der Kulissen Platz. »Das spart kostbare Bühnenzeit,« betont Tiemann.
Maximal 23 Millionen Euro darf die Sanierung des Stadttheaters, dessen Technik bereits vor zwei Jahren teilweise vom Gemeindeunfallversicherungsverband (GUVV) still gelegt worden war, kosten. Sponsoren und Spender helfen. Günther Tiemann ist überzeugt, dass nicht nur ein neuer Fassadenanstrich des Theaters selbst, sondern auch der der später entstandenen Anbauten entlang der Brunnenstraße »drin« sein wird: »Es soll einheitlich aussehen.«
Die Spielzeit 2006/07 soll wieder im Stadttheater über die Bühne gehen - abgeschlossen sein soll der Umbau bereits einige Monate früher. Schließlich müsse das Theater Zeit haben, mit den neuen Möglichkeiten zurecht zu kommen, sich daheim zu fühlen.
»Alles wird besser«, ist Tiemann sicher. Und: »Nichts Erhaltenswertes ist verloren gegangen.« Das Historische Museum hat sich prägende Teile des Theaters - Kasse, Kronleuchter - abgeholt, möchte jetzt noch ein Stück der Deckenverkleidung haben. Christoph Klasing: »Das kommt an die Reihe, wenn wir dort oben das Furnier entfernen.«

Artikel vom 27.10.2004