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Trost und Hilfe in
schweren Stunden

Die Totenfrau kommt ins Haus

Eva-Brigitte Hennecke ist eine so genannte Totenfrau. Sie gehört damit einer gesetzlich nicht anerkannten Berufssparte an, deren Tradition langsam ausstirbt.

Seit 30 Jahren arbeitet die 62-Jährige schon als Totenfrau. Sie kommt nach Hause, in die Klinik oder das Altersheim, wäscht die Toten und kleidet sie an, frisiert, rasiert und schminkt sie. Es ist für sie eine Familientradition. »Meine Großmutter ist während des Krieges Totenfrau geworden, dann hat das meine Mutter übernommen und später wurde es an mich herangetragen«, erzählt Hennecke, die zehn Jahre im Büro eines Beerdigungsunternehmens gearbeitet hat und jetzt freiberuflich tätig ist.
Zu Henneckes Auftraggebern zählen ein Dutzend Bestatter aus Hannover. »Ich habe immer viel zu tun«, sagt die Totenfrau. Ihre Hauptaufgabe sind mittlerweile die Beurkundungen der Sterbefälle, für die sie täglich zu den Behörden fahren muss. Früher habe sie vorrangig die Toten versorgt, erinnert sie sich. »Es ist ein Vollzeitjob«, sagt Hennecke, die jeden Tag 24 Stunden lang auf Abruf verfügbar ist.
Aber: »Mein Beruf stirbt aus. In Hannover habe ich nur noch vier Kolleginnen.« In der Nachkriegszeit und den 60er und 70er Jahren habe es, vor allem im ländlichen Raum, viel mehr Totenfrauen gegeben. Nach und nach seien sie gestorben und keine sei mehr nachgekommen, bedauert Hennecke.
»Wer eine Totenfrau wünscht, legt Wert darauf, dass es schön gemacht wird«, betont sie. Für die Versorgung der Gestorbenen benötigt sie 20 bis 30 Minuten. Am liebsten arbeitet die Totenfrau in den Andachtsräumen der Bestattungsinstitute, sie geht aber auch gerne in die Häuser. »Im Gegensatz zum anonymen Krankenhaus ist es zu Hause immer sehr persönlich und ich erfahre etwas über das Leben meiner Klienten. Von den Angehörigen bekomme ich oft positive Rückmeldungen und das ist eine schöne Bestätigung meiner Arbeit«, sagt sie.
Hennecke hat sich angewöhnt, nach einem Auftrag abzuschalten. Das fällt ihr nicht immer leicht: »Wenn ich Kinder versorgen muss, bin ich total fertig. Das tut mir so furchtbar leid und da kann man auch gar keinen Trost aussprechen«, sagt sie.
Dennoch mag sie ihren Beruf, den sie als vielseitig und interessant beschreibt, weil sie viel Kontakt zu Menschen hat. »Ich mag es gar nicht sagen, aber ich mache es wirklich gerne. Ich habe das Gefühl, ich tue etwas Nützliches«, sagt die Totenfrau leise und faltet ihre Hände auf dem Tisch.

Artikel vom 30.10.2004