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»Mein Papa
ist gestorben«

Hilfe für trauernde Kinder

Ins Trauerzentrum Domino in Bergisch Gladbach bei Köln kommen Kinder zwischen vier und elf Jahren, deren Welt nach dem Tod eines Elternteils ins Wanken geraten ist.

Acht speziell ausgebildete Pädagoginnen und 30 Ehrenamtliche begleiten die Kinder in ihrer schweren Phase. Der Bedarf ist enorm, die Warteliste lang, sagt Initiatorin Christel Gattinger-Kurth: »Die Menschen kommen von überall zu uns.« Es gebe bundesweit nur sehr wenige Einrichtungen dieser Art.
Jedes Kind trauert auf seine Weise über den Verlust, einige verschließen sich, andere reagieren mit Verhaltensauffälligkeiten. Die sieben Jahre alte Christine, deren Mutter erst vor kurzem gestorben ist, spricht kaum. Dennoch scheint sie sich wohl zu fühlen in der Gruppe, malt große Bilder mit glücklichen und traurigen Menschen. »Durch die Gruppen werden die Kinder aus ihrer Isolation befreit«, erklärt Gattinger-Kurth das Domino-Prinzip. Wer neu ist, kann in den ersten Stunden einen Angehörigen mitbringen. In der Regel werden die oft selbst überforderten und trauernden Angehörigen aber zeitgleich in einem Nebenraum von einer weiteren Pädagogin betreut.
Dem elfjährigen Bernd tut die Aussprache gut. »Mein Vater ist gestorben, meine Mutter ist ins Krankenhaus gekommen und ich wohne jetzt bei meinem Cousin, mit dem ich mich immer wahnsinnig streite.« Wichtiger Bestandteil ist auch die stille und kreative Einzelarbeit, etwa Basteln, Malen oder Kneten: »Gerade beim ruhigen Malen kann man sehen, wie es der Kinderseele geht«, sagt Siggi (61), der seit drei Jahren ehrenamtlich bei Domino arbeitet - was eben kein Kinderspiel ist. »Manchmal bin ich richtig fertig, wenn ein Kind bitterlich weint, das geht mir sehr nahe.«
Es handele sich nicht um eine Therapie, sondern um ein Begleiten in der Trauerzeit, betont die Domino-Leiterin. »Ziel ist es, dass die Kinder in der Zeit ihrer seelischen Aufruhr einen Weg finden, wie sie mit ihren Gefühlen umgehen können.«
Für die Kleinen stehen dafür auch Rollenspiele, eine Freispielphase und der beliebte »Vulkanraum« auf dem Programm. Hier können sie auf einen Sandsack einschlagen, sich »Schlachten« mit Schaumstoffwürfein liefern, auch Toben und Brüllen ist erlaubt. Ein großer, aber auch schwieriger Moment ist das Präsentieren der Schatzkiste, erklärt Mitarbeiter Siggi. »Das Kind zeigt in der Gruppe die wichtigsten Erinnerungsstücke des Verstorbenen - Ausweise, Fotos oder die Armbanduhr.«
Wann die Kinder die Gruppen verlassen, entscheiden sie selbst. Bei Domino bleiben die meisten ein bis anderthalb Jahre. Ronja hat es nach zweieinhalb Jahren geschafft. An ihrem letzten Tag in der Gruppe verabschiedet sich die Elfjährige: »Ich kann jetzt damit umgehen. Ich bin schon so lange hier und weiß, dass andere Kinder auch traurig sind, für die will ich jetzt Platz machen.« Stärker und fröhlich ist sie geworden, aber ihren vor drei Jahren gestorbenen Papa wird sie trotzdem nie vergessen. »Wenn ich wieder traurig bin, schnappe ich mir den Hund und renne mit ihm draußen rum.«
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Artikel vom 30.10.2004