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Als Schauermann im Bremer Hafen

Die Jobs der Professoren (4): Prof. Michael Brambring


Bielefeld (sas). »Ahnung von der Sache hatte ich nicht, war aber trotzdem in kürzester Zeit Vormann«, lacht Prof. Dr. Michael Brambring, wenn er an seine Zeit als Schauermann im Hafen von Bremen zurückdenkt. Brambring, der seit 1982 an der Universität Bielefeld Klinische Psychologie lehrt, gehörte zu den Studenten, die für ihren Lebensunterhalt arbeiten mussten - und nicht nur für ihren.
Sechs Monate habe er als Schauermann gearbeitet, erzählt Brambring. Schließlich hatte er schon ein Kind und trug damit große Verantwortung. Sein Studienort war damals Hamburg, in Bremen aber lebte seine damalige Lebensgefährtin und spätere Ehefrau, dort also verdiente er sich ein Zubrot.
Zu Anfang, erinnert er sich, gab es Spannungen unter den Hafenarbeitern: »Es war die Zeit, als die ersten portugiesischen Fremdarbeiter geholt wurden, und niemand außer mir wollte mit ihnen arbeiten.« Weil er also häufig der einzige Deutschsprachige in einer Arbeitsschicht war, wurde der angehende Psychologe als Vormann auserkoren.
Insgesamt, resümiert er, war die Zeit im Hafen ausgesprochen lukrativ: »Oft habe ich sowohl in der Nachmittags- als auch in der Nachtschicht gearbeitet, das gab richtig viel Geld.« Im Gegensatz zu den festangestellten Schauerleuten lohnte sich der Einsatz für den Studenten, dem bei der Steuerrückzahlung alle Abgaben erstattet wurden.
Gut erinnern kann er sich auch noch an einen Pfingstsamstag, »der irrsinnig heiß war«. Außer Brambring und den Portugiesen wollte keiner ran, für die gab es dafür einen vierfachen Zuschlag - »utopische Summen für damalige Verhältnisse«. Ebenfalls im kleinen Kreis waren die Schauerleute, als bei der Fußballweltmeisterschaft 1970, die in jenem Jahr in Mexiko ausgetragen wurde, Deutschland im Halbfinale gegen England spielte. »Da wollte auch keiner arbeiten, es kamen aber Schiffe rein, die gelöscht werden mussten.«
Mit den Kollegen gab es keine Schwierigkeiten. »Sicher dachten die zu Anfang, der Student sei arrogant. Aber es sind die Kleinigkeiten, an denen man merkt, dass man schließlich doch akzeptiert wird.« Dazu beigetragen hatte sicher, dass er in den Pausen, in denen es stets Würstchen mit Brötchen gab, nicht zimperlich war: Wenn keiner die aufgeplatzten Brühwürstchen essen wollte, langte der Psychologiestudent eben alleine zu.

Artikel vom 10.12.2004