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»Ich bin eine berufsreitende Hausfrau«

Dressurspezialistin Miriam Henschke bildet auf dem Hof Kasselmann junge Pferde aus

Von Friederike Niemeyer
Steinhagen (WB). Eine Möhre hat dem Schimmel noch nicht gereicht. Keck lutscht Falstaff an den Fingern von Miriam Henschke, sucht nach weiteren Leckereien. Die 48-jährige Dressurreiterin lächelt entspannt. Ihrem Falstaff lässt sie so Einiges durchgehen, wofür ein junges Pferd die strenge Hand der Ausbilderin zu spüren bekommen hätte.

Falstaff, der 28-jährige Oldenburger, genießt in Steinhagen sein Gnadenbrot. »Er ist eine absolute Persönlichkeit. Sein Spitzname Majestoso trifft es genau«, sagt Miriam Henschke und schwärmt von seiner Piaffe-Passagen-Technik. »Doch am Anfang haben wir uns ganz schön zusammenraufen müssen.« Zu Beginn der 90er Jahre war das. Da bekam die Bereiterin das Pferd auf dem Hof Kasselmann in Hagen bei Osnabrück unter den Sattel. Mit Falstaff machte sie tolle Grand-Prix-Erfahrungen und ritt auch einige Jahre im B-Kader der Dressur-Nationalmannschaft. Auch bei den Steinhagener Reitertagen trat das Paar erfolgreich 1994 an, wurde dort Dritter - hinter dem berühmten Rembrandt mit Nicole Uphoff sowie Klaus Balkenhol - beides Olympiasieger.
Doch »Liebesgeschichten« zwischen Reiter und Pferd sind bei Berufsreitern die Ausnahme. Hoffnungsvolle Tiere einige Jahre im Auftrag ihrer Besitzer ausbilden, auf ersten Turnieren reiten und dann bei Auktionen präsentieren - das ist das Geschäft auch von Miriam Henschke. Zehn bis zwölf Talente betreut sie in Hagen parallel, vom Dreijährigen bis zum Grand-Prix-Pferd.
Wichtig sei, dass ein Pferd gute Gangarten mitbringe. Dann werden die Dressur-Figuren kontinuierlich aufgebaut, erläutert die aus der Nähe von Bremen stammende Pferdenärrin. »Man darf nicht nach der Uhr reiten, muss auf die Eigenheiten des Pferdes schauen.« Sie selbst kommt besonders mit sensiblen Pferden mit viel »Blut« klar, also besonders reinrassigen Tieren.
Ihre Arbeitgeber sind übrigens Schwester und Schwager: Bianca und Ullrich Kasselmann leiten den in der Dressur-Welt berühmten Zucht- und Ausbildungsbetrieb im Teutoburger Wald, der auch regelmäßig Schauplatz international besetzter Reitsportveranstaltungen ist. Wie vor einigen Tagen »Horses & Dreams«. Miriam Henschke belegte dort beim Prix St. Georges mit Fairbanks als beste Deutsche den zweiten Platz.
Zahlreiche Grand-Prix-Siege und -Platzierungen hat Miriam Henschke, die für den RSC Osnabrück startet, erritten. Insgesamt viermal hat sie auch das Bundeschampionat gewonnen. Eines dieser Champion-Pferde ist »Lord Sinclair« - 1997 zum Preis von 2,8 Millionen Mark verkauft. Damals Rekord, berichtet Miriam Henschke, die den gefragten Vererber weiter reiten durfte.
Wahrscheinlich die noch wichtigere Rolle in ihrem Reiterleben spielte ein Pony: Auf Manjas Rücken lernte Miriam Henschke reiten. Später machte sie eine Ausbildung bei den deutschen Spitzenreitern George und Inge Theodorescu, den Eltern von Monika Theodorescu - zunächst in Steinhagen, dann in Füchtorf. Von 1982 an arbeitete sie als Ausbilderin. Seit 1995 ist Miriam Henschke freiberuflich halbtags tätig. Das heißt, sie kann die zweite Tageshälfte auf dem Hof ihres Lebensgefährten Friedrich Johannsmann in Steinhagen verbringen, kann Reitstunden geben und sich auch um den Haushalt kümmern. »Ich bin eine berufsreitende Hausfrau«, sagt sie -Êund möchte es nicht anders haben.

Artikel vom 09.05.2007