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Dr. Clark Seha, Pfarrer im Ruhestand, lebt heute in Gellershagen. Hier sitzt er auf der Kirchenbank im Bartholomäus-Gemeindehaus, die den Kirchenbrand 1990 unbeschadet überstand. Foto: Lars Rohrandt

Mit viel Wind in den Segeln

Wie Dr. Clark Seha aus Minnesota (USA) über Münster nach Bielefeld kam

Brackwede (LaRo). So kennt man Dr. Clark Seha: Engagiert, mit klaren Positionen und einer gehörigen Portion Witz berichtete der pensionierte Pfarrer im Erzählcafé der evangelischen Bartholomäus-Gemeindehaus aus seinem Leben. Der 69-jährige Amerikaner aus Minnesota, der 26 Jahre lang als Pfarrer in der Bodelschwingh-Gemeinde tätig war, sprach schwerpunktmäßig über seine familiären Wurzeln und seine frühen Jahre in Deutschland. 55 Zuhörer zog er so in seinen Bann.

»Wenn man so will, bin ich 1962, als ich nach Deutschland kam, zurückgewandert«, sagte Clark Seha, »von Haus aus ein klassischer Protestant«. Denn seine Mutter stammte aus einer Familie, die Ende des 19. Jahrhunderts aus Westpreußen in die USA eingewandert war. Und sein Urgroßvater, der das zu Österreich-Ungarn gehörende Serbien 1848 verlassen hatte, heiratete eine fromme Katholikin aus Bayern. »Von den Glaubensspannungen in der Familie habe ich immer profitiert.«
Dr. Clark Seha, als drittes von fünf Kindern geboren, wuchs auf einer Familienfarm auf. »Ich bin sehr froh, dass ich unter einer Milchkuh sozialisiert wurde. Das bindet an die Erde und öffnet einem einen realistischen Blick fürs Leben.« Mit 16 Jahren wollte Clark Seha dann Pfarrer werden. »Warum, weiß ich bis heute nicht ganz genau. Vielleicht, weil ich damit Engagement im Denken und Handeln verbunden habe.«
Die Sehas gehörten der »Missouri Synode« an, mit heute etwa drei Millionen Gemeindemitgliedern die zweitgrößte lutherische Kirche in den USA. Im Alter von 25 Jahren hatte Clark Seha dann das Theologie-Studium beendet. »Ich war unverheiratet. Warum sollte ich nicht in die Ferne gehen?« Ein Stipendium, das den deutsch-amerikanischen Studentenaustausch förderte, führte ihn nach Deutschland, wo sich ein weiteres anschloss. »Als ich 30 wurde, fragte mich mein Bruder: ÝWie bist du so alt geworden, ohne jemals Geld verdient zu haben?Ü«, erzählte Clark Seha, der in Deutschland eine Siegerländerin heiratete und Vater zweier Töchter wurde. In Münster bekleidete er zunächst das Amt des Studentenpfarrers.
Anfang der 60er Jahre reiste er nach Leipzig und Prag, um sich mit Ost-Berlin und Moskau auseinanderzusetzen. »Verrückt, manche hielten uns deswegen für Kommunisten.« 1975 lotste der damalige Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen Hans Thimme (1909 bis 2006) den Amerikaner nach Bielefeld. Clark Seha über Thimme: »Er hat immer für Zehn gearbeitet.« Und über die (EKvW): »Ich liebe diesen Verein.« Im Januar 1976 trat er seinen Dienst als Pfarrer der Bodelschwingh-Gemeinde (seit 2006 Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde) an - und blieb bis zum Ruhestand 1992. »Ich kam mit soviel Wind in den Segeln aus Münster, dass ich den ganzen Teuto hätte umpflügen können. Wir glaubten damals an eine fairere Welt.« Clark Seha setzte sich für ein starkes Wir-Gefühl in der Gemeinde ein, pflegte intensiven Kontakt zu Prager Künstlern und engagierte sich seit 1982 für ein Kinderhilfsprojekt in Chile. Er spricht sich heute offen gegen die amerikanische Bush-Regierung (»wie peinlich«) aus, hält beispielsweise immer noch Bibelstunden in Dornberg und predigte zu Ostern in der besetzten Paul-Gerhardt-Kirche.
Sehas Fazit im Erzählcafé: »Um etwas im Leben zu bewegen, ist eine gewisse Bauernschläue vonnöten.«

Artikel vom 09.05.2007