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Die Kolumne Stadtgespräch erscheint mittwochs in dieser Zeitung.

Stadt
Gespräch

40 Jahre am »Katzentisch« (222. Folge): Vom Wochenmarkt in den Dom


Besonders am Samstag steht auf dem Programmzettel vieler Paderborner Familien der Wochenmarkt. Gerade in diesen Tagen mit positiven Temperaturen ziehen die Stände zwischen Schildern und Landgericht die Käufer an. Der Reiz des Wochenmarktes, jeweils am Mittwoch und Samstag, ist auch des Sich-Sehen-Lassen und Gesehen-Werden sowie der Plausch: »Wissen Sie schon, Frau Nachbarin?«
Der Paderborner Wochenmarkt hat Tradition. Schon vor 1200 Jahren offerierten Bauern oberhalb der Paderquellen ihre Erzeugnisse. Die Marktplätze wechselten von der Südseite des Domes in die Grube, an den Abdinghof und zum Marienplatz. Fleischwaren wurden seit Jahrhunderten in der Gasse der Metzger (Scharne) hinter dem Rathaus angeboten.
Die Leute aus den Paderborner Bauernschaften zeigten auf dem Markt an, was sie übrig hatten. Manche »städtschken« Frauen machten sich früher unbeliebt, wenn sie zum Probieren der frischen Butter Haarnadeln, Daumen oder ein Geldstück zur Hilfe nahmen.
Für die Marktbesucher am Samstag gibt es bestimmte Zeiten. Frühmorgens kommen ältere Mitbürger, die Rentner also. Nach 10 Uhr taucht das »Mittelalter« auf, vielfach mit Kinderwagen. Eine Stunde später treffen die jungen Frauen ein, um »frische Ware« einzukaufen. So um 12 Uhr gibt es den »Ruck« auf dem Wochenmarkt. Schlaue Käufer hoffen auf reduzierte Preise. Um 12 Uhr beginnt im Dom die Engel-des-Herrn-Andacht mit Orgelspiel. Diese 20 Minuten sollte sich die Mittags-Marktbesucher nicht entgehen lassen.
Samstags kommen 65 Marktbeschicker zum Markt- und Domplatz. Es mussten früher kleine Findlinge als Standgeld mitbringen. Zu bestaunen sind diese »Stadt-Zölle« noch heute als Pflaster auf dem Kleinen Domplatz. 1,80 Euro je Frontlänge kassiert jetzt die Stadt. Angeboten werden nicht nur frische Blumen und Gemüse. Spezialisten verkaufen auch kulinarische Schmankerln: Wurst und Fleisch vom Rind, Schwein, Hahn und Kaninchen. Samstags fällt die Wahl von Delikatessen schwer zwischen Brüh- und Bratwurst, Fritten und italienischen Spezialitäten und sogar einem Glas Champagner mit Edelhäppchen. Dazu rundherum zwei Cafés und das Steakhaus. Eine öffentliche Toilette nordwestlich des Domturmes ist nicht allen Marktbesuchern bekannt. Eine zusätzliche Anlage ist erforderlich.
Eine Frau mit 80 Jahren steht allein zwischen großen Ständen mit ihren Körben und Kartons mit Früchten, Gemüse und Blumen. »Tanti« nennen sie viele, verriet Klaus Starscheit, der Marktmeister. Die betagte Dame erinnert an die Beschickerin Kilian früherer Jahre.
Und dann ist noch Otto Kokesch zu nennen, der vor einem Jahr im Alter von 84 Jahren gestorben ist. Das Findelkind aus der Nähe von Salzkotten verbrachte den Lebensabend im Altersheim Westphalenhof. Otto war of auf dem Wochenmarkt anzutreffen, half beim Aus- und Einpacken und sprach alle mit »Chef« an. Er war Schützenbruder bei den Maspern, half am Bahnhof die Koffer tragen und teilte sonntags im Dom im Kapitelsamt »Gotteslob«-Gesangbücher in den ersten Bankreihen aus.
Die Marktbeschicker bringen eine eigene Zeitung heraus: »Der Treffpunkt der Stadt«. Sie bezeichnen den Wochenmarkt als »ein starkes Stück Paderborn« und wollen ihre Markttage als pulsierendes »Herz der Stadt« verstanden wissen.
Sie sind sicher, dass der Wochenmarkt im Mittelpunkt der Kernstadt seinen Wert behalten wird, trotz der vielen Supermärkte.
Na, sehen wir uns Samstag auf dem Wochenmarkt und anschließend zur segensreichen halben Stunde im Dom? Georg Vockel

Artikel vom 09.05.2007