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»Kirchturmdenken«
hat Vor- und Nachteile

Altkreis-Bürgermeister und Kirche im Gespräch

Holzhausen (wm). Kirche und Kommunen habe viele Berührungspunkte. Über die Zusammenarbeit und Probleme sprach gestern Präses Alfred Buß im Rahmen der von ihm geleiteten Visitation der Evangelischen Kirche von Westfalen im Altkreis Lübbecke mit den Bürgermeistern der sechs Altkreis-Kommunen.

Im Haus des Gastes in Holzhausen betonte der Präses zunächst die Bedeutung von Begegnungen zwischen Kirche und Politik. Dabei sei es den Kirchenvertretern wichtig zu erfahren, »wie die Menschen hier leben, was ihre Probleme, Chancen und Herausforderungen in dieser Region sind. Und wir wollen wissen, was die Stärke dieses Raumes ausmacht«.
Prägend für die Region zwischen Wiehengebirge und Stemweder Berg ist nach übereinstimmender Ansicht der Bürgermeister der Wandel von der Landwirtschaft zu einer stark industriealisierten Gesellschaft mit zunehmender Besiedlung. Von größter wirtschaftlicher Bedeutung sei der Branchenmix der mittelständischen Unternehmen und die Tatsache, dass sie häufig noch familiengeführt seien; dank Innovationsfreude und Engagement seien Produkte aus dem Altkreis Lübbecke in der ganzen Welt begehrt und geschätzt. Man könne gerade in den Dörfern auf Menschlichkeit und Miteinander bauen; Bodenständigkeit sei hier noch ein Wert an sich, »Kirchturmdenken« durchaus nicht negativ zu verstehen in dem Sinne, dass die Menschen ihre Kirche vor Ort behalten wollen. Und das auch vor den Hintergrund aktueller Finanzprobleme in der Kirche, die ja nicht allein von Geldmangel betroffen sei: Auch die Kommunen hätten bekanntlich seit Jahren schon Schwierigkeiten, Ausgaben und Wünsche bei sinkenden Einnahmen zu finanzieren.
Buß stellte »augenzwinkernd« fest, dass die Darstellung der Region sehr spannend und facettenreich sei, er aber wenig über Sorgen und Schwächen gehört habe. Die aber hatten die Chefs der sechs Rathäuser ebenfalls parat. So bereite die demografische Entwicklung durchaus Kopfzerbrechen. Insbesondere schmerze, dass junge und gut ausgebildete Menschen zwischen 20 und 30 Jahren die Region verließen -ÊMenschen, die für die Zukunft der Betriebe wichtig seien. Schulen und Kindergärten hätten teilweise bereits Existenzsorgen, weil der »Nachwuchs« ausbleibe. Deshalb müsse über Standard- und Leistungsabbau diskutiert werden -Êwas gerade auch wegen des »Kirchturmdenkens« nicht ganz leicht sei. Der Strukturwandel in der Landwirtschaft berge auf Dauer die Gefahr vieler »Ruinen« auf dem Lande. Denn würden die riesigen Höfe aufgegeben, seien sie kaum mehr nutzbar - weder zu Wohnzwecken noch für Gewerbe. Die Bürgermeister übereinstimmend: »Das Bild unserer Region wird sich verändern.«

Artikel vom 09.05.2007