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Heilserwartung aus Peine

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil stößt zum Programmkonvent

Von Stephan Rechlin
Altkreis Halle (WB). Beim Ortsvereinsvorsitzenden von Peine in Niedersachsen kann man mitten in der Nacht anrufen und fragen, warum man eigentlich in die SPD eintreten soll. Bisher wusste er stets die Antwort. Doch im Augenblick zögert sogar er.

Hubertus Heil, Generalsekretär der SPD, stammt aus Peine. Seit der Großen Koalition seien viele Mitglieder so verunsichert wie der Ortsvereins-Vorsitzende. Darum arbeite die SPD derzeit an einem neuen Grundsatzprogramm und darum diskutiert Heil zur Zeit mit der Basis. In einer Projektgruppe unter der Leitung von Frank Diembeck hat die SPD im Kreis Gütersloh »Thesen« zum neuen Programm zusammengetragen, die beim Bundesparteitag im Oktober in die Debatte einfließen sollen. Der Generalsekretär stieß zum »Programm-Konvent« ins Reethus nach Rheda-Wiedenbrück.
In seinem Vortrag gab Heil der Verunsicherung neue Nahrung. Ob Globalisierung, Klimawandel, demografischer Wandel - im Grunde renne die SPD seit Jahren der Realität programmatisch hinterher. Der bisherige Programm-Entwurf ist sowohl den Genossen im Kreis als auch dem Generalsekretär zu unpointiert. Mit Kraftausdrücken markierte Heil jene Themen, die er gerne stärker hervorheben würde. Es sei ein »verfluchter Skandal«, dass in manchen Branchen nur 3,18 Euro Stundenlohn gezahlt werde. Darum trete die SPD für einen Mindestlohn ein. Dass sich gut ausgebildete Akademikerinnen gegen Kinder entschieden, weil sich Arbeit und Familie hier nicht vereinbaren ließen, sei eine »verdammte Schweinerei«. Also: Ganztagskindergarten, Ganztagsschule für alle, möglichst umsonst. Und noch ein »verfluchter Skandal«: Die soziale Herkunft entscheide in Deutschland noch immer über den Erfolg von Bildung. Wie das nach mehr als 30 Jahren SPD-Herrschaft in Nordrhein-Westfalen überhaupt möglich sein konnte, erörterte Heil nicht näher.
Nicht in allen Teilen stimmten Heils Kritik am neuen Entwurf und jener der Kreis-SPD überein. Krieg darf kein Mittel der Politik sein, fordert die Kreis-SPD. »Ist manchmal aber so«, hält Heil dagegen. Mit Sozialpädagogen sei der bürgerkriegsähnliche Konflikt in Mazedonien nicht zu lösen gewesen: »Ich bin froh, dass wir die Bundeswehr hingeschickt haben.« Nachhaltigkeit sei eine politische Zielsetzung, meint die Kreis-SPD, nicht eine Frage der Technik. Dagegen hob Heil den Segen technischer Innovationen hervor: »Wir sollten unsere Einstellung gegenüber der Technik prüfen. Es kann nicht sein, dass die letzte technische Innovation, die von der SPD begrüßt wurde, die Einführung des Farbfernsehens unter Willy Brandt 1972 war.«

Artikel vom 08.05.2007