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Stromschulden
wären leicht
zu verhindern

Caritas: Unternehmen sind stur

Von Heinz-Peter Manuel
Büren (WV). Panik machte sich breit in einem fünfköpfigen Bürener Haushalt: Wenige Tage vor der Erstkommunion drohte RWE damit, wegen unbezahlter Rechnungen den Strom zu sperren. Erst eine einstweilige Verfügung des Amtsgerichts Paderborn rettete die Feier.

Die Paderborner Anwaltssozietät Selker und Kollegen erstritten einen Beschluss, nach dem RWE den Strom nicht sperren darf. Im konkreten Fall hatten die monatlichen Abschlagszahlungen im vergangenen Jahr nicht ausgereicht, die kompletten Kosten zu decken. Die geforderte Nachzahlung von 1300 Euro konnte die Familie, obwohl Vater und Mutter berufstätig sind, nicht leisten. Dienstag folgt die mündliche Verhandlung vor dem Gericht.
»Dieser Fall, in dem eine Familie mit drei schulpflichtigen Kindern betroffen ist, zwei davon überdies an Epilepsie und Asthma erkrankt, ist leider nur die Spitze des Eisberges«, sagt Anne Wördehoff, beim Caritasverband für das Dekanat Büren zuständig für Sozialberatung von Schuldnern. In etwa der Hälfte aller Beratungen spielten Schulden im Energiesektor - nicht zuletzt auch wegen der im Vorjahr stark angestiegenen Preise - eine große Rolle. »Einige der Ratsuchenden bekommen die regelmäßige Abschlagszahlung des Stroms nicht organisiert - und dann kommt irgendwann die Stromsperrung«, ergänzt Anne Wördehoff. Zwar sei ihre Klientel oft unerfahren, einkommensschwach oder gering gebildet, doch trügen die Stromversorger einen erheblichen Anteil der Schuld. Anne Wördehoff nennt keine oder falsche Abbuchungen, fehlerhafte Ablesungen, Komplikationen beim Umzug durch Ab- und Ummeldung oder unverständliche Rechnungen. Wer sich beim Versorger melde, erhalte auch keine echte Hilfe, weist sie auf unendlich lange Warteschleifen in den Call-Centern hin.
Zusammen mit Matthias Krieg, beim Caritasverband Paderborn zuständig für Schuldner- und Insolvenzberatung, weiß sie, dass Familien oder Menschen mit schweren sozialen Problemen eine Chance haben, sich gegen Stromsperren zu wehren. Bei Alleinstehenden sieht das oft anders aus. In Büren gibt es Fälle, in denen Menschen schon seit Monaten ohne Strom leben müssen. »Die Menschen werden durch solche Entscheidungen oft in die Obdachlosigkeit gedrängt«, sagt Krieg.
Dabei gäbe es Hilfe, gegen die sich die heimischen Versorger aber wehren. Ein Überblick über die bereits angefallenen Stromkosten ist im derzeitigen Abrechnungssystem kaum möglich. Abhilfe schaffen könnten »Prepaid-Zähler«, bei denen ein zuvor bezahltes Guthaben verbraucht wird.
»Erst zahlen, dann verbrauchen«, lautet die Devise, die das Zuschnappen der »Stromschuldenfalle« verhindern kann. Was in angrenzenden Gebieten schon häufig praktiziert wird, lehnen die Stromriesen hier wegen der Investitionskosten noch ab.

Artikel vom 04.05.2007