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Zur Flasche Doppelherz
ein Paul-Gerhardt-Lied

Erzählcafé erinnert an 400. Geburtstag des Theologen

Brackwede (ptr). Er erlebte die menschliche Katastrophe des Dreißigjährigen Krieges, schöpfte jedoch aus den Quellen lutherischer Frömmigkeit neue Kraft. Noch heute sind 26 seiner Lieder im evangelischen Gesangbuch zu finden. Im Erzählcafé erinnerte Pfarrer Reinhard Ellsel aus Sennestadt an den 400. Geburtstag von Paul Gerhardt.
Obwohl Gerhardt im 17. Jahrhundert »auffällig unauffällig« gelebt habe, seien seine Texte heute vielen geläufiger als die eines Johann-Wolfgang von Goethe, sagte Ellsel und testete diese These gleich im Bartholomäus-Gemeindehaus. Mit etwas Mühe konnten die Besucher des Erzählcafés zwei Gedichte/Lieder des großen deutschen Dichters nennen: »Der Zauberlehrling« und »Sah ein Knab' ein Röslein steh'n«. Paul-Gerhardt-Lieder kamen dagegen wie aus der Pistole geschossen: von »Wie soll ich dich empfangen« über »Ich steh' an deiner Krippen hier« bis zu »Geh' aus mein Herz und suche Freud«.
»Das Geheimnis der Gerhardt-Texte ist, dass sie mitten ins Herz zielen und nicht auf einer abstrakten philosophischen Ebene liegen«, sagte Ellsel. Der Lehrmeister christlicher Lebenskunst habe immer zum Ziel gehabt, Menschen zu trösten, ihnen trotz aller Sorgen die Augen für die Schönheit der Schöpfung zu öffnen und ihnen so zu sagen: Gott ist da und meint es gut mit uns. Dabei hätte Gerhardt allen Grund gehabt, an seinem eigenen Leben zu verzweifeln. Denn neben den Grausamkeiten des Dreißigjährigen Krieges muss Gerhardt auch erleben, wie sein Bruder von der Pest dahingerafft wird und vier seiner fünf Kinder bereits in jungen Jahren sterben. Seine Frau muss er ebenfalls früh zu Grabe tragen. »Paul Gerhardt, ein in Satans Sieb geprüfter Theologe, hernach fromm gestorben«, steht noch heute treffend unter einem Ölgemälde des Barockdichters in der Lübbener Kirche.
»Befiehl Du Deine Wege«, ist Gerhardts Antwort auf so viel persönliches Leid. Ein Lied voller Gottvertrauen, das im Laufe der Geschichte immer wieder Menschen in Not neue Hoffnung gegeben hat. So waren Auszüge des Textes zum Beispiel auf Planwagen des Flüchtlingstrecks am Ende des Zweiten Weltkrieges zu lesen.
»ÝMeine Lieder sind gesunde LiederÜ, soll Gerhardt einmal gesagt haben«, berichtete Ellsel. »Kombiniert mit einem Schluck Doppelherz, dürfte sich damit eine hervorragende Medizin für ein langes Leben ergeben.«

Artikel vom 04.05.2007