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Für eine neue Familie entschieden

Die Varenseller Äbtissin Angela Boddem im WESTFALEN-BLATT-Interview

Von Meike Oblau
Rietberg-Varensell (WB). Gewählt wurde sie bereits im Januar, geweiht am Maifeiertag: das Kloster Varensell hat eine neue Äbtissin. Angela Boddem OSB stellte sich den Fragen des WESTFALEN-BLATTes.

Nach dem Abitur haben Sie zunächst Deutsch und Religion auf Lehramt studiert. Wie haben Sie den Weg ins Kloster gefunden?
Angela Boddem: Es gibt so viele verschiedene Wege, ins Kloster zu kommen, wie es verschiedene Menschen gibt. Bei mir war das ein längerer Prozess. Ich bin traditionell katholisch aufgewachsen. Aber irgendwann ist der kindliche Glaube an Gott vorbei, und ich bin erst zur Pfadfinderzeit wieder mit Gott und religiösen Fragen in Berührung gekommen. Das trug dazu bei, dass ich Religion studiert habe. Während des Studiums habe ich 1982 fünf Tage im Gästehaus der Abtei Varensell verbracht, ich suchte meinen eigenen Glaubensweg. Das Leben hier faszinierte mich, aber auf der rationellen Ebene hat es noch Jahre gedauert, bis ich mir sicher war, dass ich diesen Weg einschlagen will. Es war eine lange Suche, ein Rauf und Runter. Ich bin immer wieder als Gast hier gewesen. Doch irgendwann musste ich »springen«, musste meine Entscheidung treffen. Ich war mir zumindest sicher, dass ich diesen Weg ausprobieren möchte. Dafür ist das so genannte Noviziat, die Probezeit, ja auch da. Man geht eine gegenseitige Bindung ein, auch die Gemeinschaft muss mich kennenlernen, nicht nur umgekehrt. Und nach dem Noviziat habe ich meine Entscheidung für das Leben in der Abtei auch nie ernsthaft in Zweifel gezogen.

Wie haben Ihre Verwandten und Freunde auf diese Entscheidung reagiert?
Angela Boddem: Es gab ganz unterschiedliche Reaktionen. Meinen Eltern ist es zunächst sehr schwer gefallen, sie haben eine Weile gebraucht, um meine Entscheidung zu akzepzieren. Mein Freundeskreis hat sich seither sogar eher noch vertieft, von den guten Freunden, die ich vor meiner Zeit im Kloster hatte, habe ich keinen verloren. Jetzt zur Weihe war sogar eine Freundin da, mit der ich als Neunjährige zusammen zur Kommunion gegangen bin. Durch Briefe oder Telefonate halte ich ja auch den Kontakt, auch wenn es so etwas wie Heimaturlaub nicht gibt. Für Außenstehende ist das manchmal sehr schwer zu verstehen, aber ich habe mich sozusagen für eine neue Familie entschieden. Unser Miteinander hier im Kloster hat Vorrang.

Im Januar sind Sie von Ihren Mitschwestern zur Äbtissin gewählt worden. Was hat sich seither in Ihrem Leben geändert?
Angela Boddem: Das ist eine ganz neue Rolle, in die ich hineinwachsen muss. Ich spüre, dass das eine große Verantwortung ist, ich spüre aber auch, dass der Konvent mir das Vertrauen geschenkt hat. Bei der Wahl einer Äbtissin gibt es keine Kandidaten, es kann eigentlich jede gewählt werden. Es gibt auch im Vorfeld keine Personaldiskussion. Als Gemeinschaft wurden wir auf die Wahl vorbereitet, ich selbst auf mein Amt als Äbtissin aber nicht.

Was muss eine Äbtissin können, welche Fähigkeiten sind wichtig?
Angela Boddem: Der Eigenart vieler dienen. Für alle da sein, jede als eigenen Menschen sehen und gleichzeitig das Wohl der Gemeinschaft im Blick behalten. Aber auch Arbeitsorganisation gehört dazu, in dem Sinne ist ein Kloster nun mal auch ein kleiner Wirtschaftsbetrieb, wir müssen auch nach Einnahmequellen suchen. Unsere Standbeine sind die Paramentik, die Hostienbäckerei, die Buch- und Kunsthandlung und zunehmend auch das Gästehaus. Wir sollen von unserer Hände Arbeit leben - und auch das will organisiert sein. All diese Aufgaben aber schultere ich ja nun nicht alleine, sondern suche mir auch Rat. Wir entscheiden vieles gemeinsam.

Kommt es dabei in einem Kloster auch zu Konflikten?
Angela Boddem: Natürlich gibt es auch im Kloster Konflikte, das ist doch menschlich. Das Zusammenleben der Generationen ist Herausforderung und Geschenk zugleich. Hier leben Nonnen im Alter zwischen 29 und 94 Jahren zusammen. Was uns zusammenführt, liegt auf einer anderen Ebene und auf die versuchen wir uns auszurichten. Wir sind aber eine Lebensgemeinschaft. Da kann man Konflikten nicht ausweichen. Man stellt sich ihnen. Auch das ist oft eine positive Erfahrung.

Artikel vom 04.05.2007